PFAS im Landkreis Rastatt; das ist die Geschichte eines Skandals mit unklarem Anfang und offenem Ende. Dazwischen stehen viele Fragen: wieso passiert scheinbar so wenig, was macht man, um die Chemikalien aus dem Boden zu bekommen, muss ich mir Gedanken um meine Gesundheit machen und sind wir eigentlich allein mit dem Problem? (Update 11.06.2024, s.u.)
Wenn man durch das Oberrheintal zwischen Rastatt und Bühl fährt, ist nicht zu erkennen, dass man sich in der Region des „flächenmäßig größten Umweltskandals „der letzten Jahre befindet, wie es die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bereits 2016 genannt hatte. Aber auf den Ackerböden liegt eine brisante Mischung von Umweltgiften, die von dort aus unaufhaltsam in das Grundwasser sickern. Mit den Folgen davon werden sich noch die folgenden Generationen beschäftigen müssen.
Die Ursache der großflächigen PFAS-Belastung in Mittelbaden ist nach heutigen Erkenntnissen auf die Aufbringung von mutmaßlich PFAS-haltigen Papierschlamm-Kompost-Gemischen auf die Felder zurückzuführen. Ein Komposthändler aus der Region hatte Papierschlämme aus 14 verschiedenen Papierfabriken angenommen, nachgewiesen wurden 106.000 Tonnen in den Jahren 2006-2008. Darunter waren auch Recyclingschlämme, was damals wie heute gegen die geltende Bioabfall- und Düngemittelverordnung verstieß.
Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind fett-, wasser- und schmutzabweisend, Tapeten werden dadurch beispielsweise imprägniert und Verpackungen von Nahrungsmitteln und Tierfutter fettdicht. Das Fraunhofer-Institut in Freising fand verschiedene PFAS in Butterwicklern, Backpapieren, Käseverpackungen, Butterbrotpapieren, Faltschachtelkartons und Fastfood-Verpackungen. Was aber nun in „Papierschlamm-Form“ als vermeintlicher Dünger auf Mittelbadens Feldern landete, lässt sich nicht genau sagen.
Auf jeden Fall blieb diese brisante Mischung nicht nur auf den Äckern, sondern verteilte sich im Grund- und Trinkwasser. Erst Ende 2012 entdeckten die Stadtwerke Rastatt bei einer Routinekontrolle PFAS im Rohwasser des Wasserwerkes in Rauental. Weitere Kontrollen bestätigten den Befund und die Untersuchungen von Boden, Wasser und Lebensmitteln liefen an. Die Ergebnisse waren nicht erfreulich und der Landkreis sah sich 2013 nach der Meldung durch die Stadtwerke Rastatt mit einem PFAS-Problem konfrontiert, das immer größer wurde, je mehr man untersuchte.
Großflächige Verteilung in Boden und Grundwasser
Bis heute sind im Landkreis Rastatt und Stadtkreis Baden-Baden von 10.162 Hektar Ackerland 1105 Hektar mit PFAS belastet, das entspricht in etwa 1500 Fußballfeldern. Man geht davon aus, dass ungefähr 1000 bis 5000 Kilo PFAS im Boden sind. Die Stadtwerke Rastatt rechnen mit einer Gesamtfläche des oberflächennah belasteten Grundwasserkörpers von rund 58 Quadratkilometer (5.500 ha), was der Fläche des Starnberger Sees entspricht. Das Gesamtvolumen des belasteten Grundwassers wird mit mindestens 180 Millionen Kubikmeter angegeben. Man hat 4500 Bodenproben genommen und 4500 PFAS Analysen im wässrigen Extrakt und 2950 Analysen vom Boden selbst durchgeführt. Weiter wurden 750 Grundwasserbrunnen untersucht und 7200 PFAS-Analysen im Wasser vorgenommen. Alles wurde digital erfasst (GIS) und Karten und ein Grundwassermodell erstellt.
Mit der Bearbeitung sind neben dem Landratsamt Rastatt (LRA) die Stadt Baden-Baden, das Regierungspräsidium Karlsruhe, die Stabsstelle PFC, die Landesanstalt für Umwewlt Baden-Württemberg (LUBW), das Technologiezentrum Wasser, das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg, das Landwirtschafts-, das Umwelt- und das Sozialministerium sowie das Landesgesundheitsamt betreut.
Der PFAS-Skandal wird umfangreich gemanagt, da eine Sanierung der belasteten Böden nicht möglich und nicht finanzierbar ist. Die Trinkwasserversorger reinigen das Trinkwasser und die Landwirtschaft wird kontrolliert. Die Verwendung der Beregnungs- oder Gartenbrunnen ist in bestimmten Gebieten geregelt oder sollte vermieden werden; Angelseen sind ebenfalls belastet. In Blutuntersuchungen wurden PFAS auch im Blut der Mittelbadener nachgewiesen, die Tendenz ist aber wohl aufgrund der Gegenmaßnahmen fallend.
Baugebiete können betroffen sein und die Frage der Verwendung von PFAS-Böden muss geklärt werden. In den Abläufen der Kläranlagen kann man PFAS messen, deswegen rüsten die großen Kläranlagen mit der vierten Reinigungsstufe nach, um die Chemikalien herauszufiltern.
Der Rastatt-Case: Übersichten über die PFAS- Entwicklungen der letzten zwölf Jahre im Landkreis Rastatt
Die Entwicklungen rund um PFAS in Mittelbaden sind nach zwölf Jahren noch dynamisch, geprägt durch praktische Erkenntnisse und neue Forschungsergebnisse. Eine Nachverfolgung dieser Entwicklungen ist am besten in ausführlich in den beiden PFAS-Übersichtsbroschüren auf dieser Seite möglich (freier Download). Eine Kurzversion gibt es in der Zeitschrift AnalytikNews: Der "Rastatt-Case"- PFAS für Generationen (2023). Die Übersichtsartikel in den Heimatbüchern des Landkreises Rastatt (2018 und 2020) und die Dokumentationen in den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN, 2016 und 2018) bieten eine weitere Möglichkeit in der Chronologie.
Die aktuellen PFAS-Entwicklungen der Region Mittelbaden werden zusätzlich in meinem PFAS-Blog hier auf diesen Seiten und auch in dem PFAS-Newsletter des Landratsamtes in Rastatt oder bei der Stabsstelle PFC am Regierungspräsidium in Karlsruhe aufgegriffen.
PFAS in Mittelbaden: Jahresrückblick 2023
Das Jahr 2023 begann, wie 2022 geendet hatte – mit PFAS in Boden und Wasser, Managementmaßnahmen in der Landwirtschaft, Einschränkungen bei Feld- und Gartenbewässerung, Reinigung des Trinkwassers, viel Forschung und einer verbesserten Kommunikation für die Betroffenen.
Folgen der Belastung sind unter anderem: Managementmaßnahmen, hohe Kosten, Bluttests, Forschung, Kooperation und Kommunikation (PFAS-Broschüre & PFAS-Newsletter).
Kosten: 30-40 Millionen auf der nach oben offener Skala
Zahlt der Verursacher? Nein, natürlich nicht.
Dauer des Skandals: Frühe 2000er Jahre bis in die nächsten Generationen?
Der Jahresrückblick 2023 ist als Blog-Beitrag hier nachzulesen: https://pfas-dilemma.info/aktuelles/71-pfas-jahresrueckblick-2023
Bis zum Jahr 2022: Mittelbaden ist einer von fünf bekannten Hotspots in Deutschland
Die PFAS-Belastung in Mittelbaden gehörte bis zum Jahr 2022 zu den bis dahin bekannten fünf PFAS-Hotspots in Deutschland (Flughafen Düsseldorf, Hochsauerlandkreis (Arnsberg, Möhnetalsperre), Bundeswehrflughafen Manching, Chemiepark Gendorf) und ist Teil einer globalen Belastung von Boden, Wasser und Luft mit den fluorierten Chemikalien. Manchmal hervorgerufen durch Aufträge auf die Böden wie bei uns in Mittelbaden oder durch Chemiewerke wie in Gendorf in Bayern oder manchmal auch eng begrenzt durch den Einsatz von PFAS-haltigen Feuerlöschschäumen wie es an praktisch allen Zivilflughäfen der Fall ist, wie auch am Baden-Airpark. Auch die Bundeswehrstandorte sind quasi flächendeckend betroffen. Fachleute suchen europa- und weltweit nach Lösungen sowie nach Regulierungen der Chemikaliengruppe. Auch dazu finden Sie ausführliche Informationen in den PFAS-Broschüren (s.o.).
Seit Februar 2023: Mittelbaden ist eine von 1.500 Belastungen in Deutschland
Am 23. Februar stellte ein internationales Journalisten-Team das Ergebnis der monatelangen Recherchen des Forever Pollution Projects vor: In Deutschland sind rund 1.500 Stellen und europaweit an die 20.000 Stellen mit PFAS belastet, Mittelbaden ist nur eine davon.
"Die Journalisten sammelten 100 Datensätze und reichten Dutzende von FOIA-Anträgen ein, um eine einzigartige Karte der PFAS-Kontamination in Europa zu erstellen, ähnlich, wie es sie für Amerika oder Australien schon länger gibt.
"Etwas Ähnliches hat für Europa gefehlt", sagte Martin Scheringer, Experte für Umweltchemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Schweiz). "Ihr Beitrag ist daher äußerst wichtig und wertvoll."
Das Projekt zeigt, dass es in Europa 20 Produktionsstätten und mehr als 2 100 Standorte gibt, die als PFAS-Hotspots betrachtet werden können – Orte, an denen die Kontamination ein Niveau erreicht, das als gesundheitsgefährdend für exponierte Personen angesehen wird. Das Problem: Es ist extrem teuer, diese Chemikalien loszuwerden, wenn sie erst einmal in die Umwelt gelangt sind. Die Kosten für die Sanierung werden voraussichtlich zweistellige Milliardenbeträge erreichen. Vielerorts haben die Behörden bereits aufgegeben und beschlossen, die giftigen Chemikalien im Boden zu belassen, weil es nicht möglich ist, sie zu reinigen."(übersetzt aus https://foreverpollution.eu/ )
Wenn man in die interaktive Karte hineinzoomt, die das Team dort zusammengestellt hat, sieht man in Deutschland eine Häufung der Fälle entlang des Rheins und in Mittelbaden die bekannten und vermuteten PFAS-Belastungen.
Rastatt's PFAS-Belastung: Thema bei internationalem OECD Global PFAS-Forum (12. / 13.2.2024)
Was hat Mittelbaden mit Flandern, Dordrecht, Norditalien oder Michigan gemeinsam? Sie alle haben eine mehr oder weniger ausgeprägte Belastung mit PFAS (per- und polyfluoralkyl Substanzen) vorzuweisen. Unser Fall hat dabei eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt, da unsere Art der Bodenbelastung so kompliziert ist. Bei dem internationalen OECD Global PFAS-Forum am 12. und 13. Februar wurde der „Rastatt-Case“ deswegen als Beispiel vorgestellt.
Rastatt's PFAS-Belastung: Thema im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages (24.04.2024)
Die Debatte um Beschränkung oder Verbot von Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) im Umweltausschuss am Mittwoch, 24. April 2024, hat deutlich gemacht, wie weit die Vorstellungen der Umweltvertreter und denjenigen aus der Industrie auseinander liegen. Sollen PFAS verboten werden? Die industriell hergestellten organischen Verbindungen sind zwar sehr widerstandsfähig, und ohne sie würden viele Alltagsgegenstände wie Outdoorbekleidung, Handys und Pfannen nicht auskommen. Jedoch sammeln sich die Rückstände weltweit in Pflanzen, Böden, Wasser und Lebewesen an, und sie gelten als gesundheitsgefährdend. Oder sollten die Vorteile der PFAS gegen die Gefahren abgewogen werden, wie es ein Antrag (20/9736) der CDU/CSU-Fraktion unter dem Titel „Vorteile von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) weiter nutzen - Wertschöpfung erhalten - Gesundheit und Umwelt schützen“ fordert? Darüber diskutierte der Umweltausschuss am Mittwochvormittag in einer öffentlichen Anhörung. Die Debatte zeigte einmal mehr, dass sich die Argumente aus dem Lager der Umweltvertreter mit denen aus dem Unternehmerbereich nur schwer in Übereinstimmung bringen lassen. (Auszug aus der Pressemitteilung des Umweltausschusses).
Reiner Söhlmann, der Leiter der PFAS-Geschäftsstelle am Landratsamt in Rastatt stellte die hiesige Belastung in Berlin vor und positionierte sich deutlich: "Der EU-Beschränkungsvorschlag werde begrüßt, weil er „dem Schutz der Menschen dient und der Industrie lange Übergangsfristen einräumt“. Der Landkreis Rastatt sowie die Stadtkreise Baden-Baden und Mannheim hätten „leidvolle Erfahrungen mit der Stoffgruppe der PFAS machen müssen“. Alleine durch die Vermischung von Papierschlämmen mit Kompost und der Aufbringung auf Ackerflächen seien in Mittelbaden etwa 1100 Hektar Bodenfläche als belastet eingestuft. Eine umfassende Sanierung sei schon aufgrund der Dimension des Schadensfalls nicht möglich und nicht finanzierbar. Seit dem Jahre 2013 sei zum Schutz der Bevölkerung bereits ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag durch das Land, den Landkreis, den Kommunen, den Wasserversorgern und der Landwirtschaft ausgegeben worden. Eine finanzielle Mehrbelastung werde es auch weiterhin geben. Diese Kosten würden im Wesentlichen durch die Allgemeinheit getragen, nicht jedoch durch die Produzenten und Inverkehrbringer der PFAS" (Zitat aus der PM).
Genaueres zu der zweistündigen Debatte über die PFAS-Folgen und das Pro und Contra des vorgeschlagenen EU-Verbotes der gesamten Chemikaliengruppe sind in dem folgenden Blogbeitrag auf dieser Seite zusammengefasst: PFAS-Verbot: Debatte im Bundestag.
Umwelt Crime - Der Fall Rastatt, PFAS Chemikalien im Trinkwasser, der PFAS-Skandal im ZDF (26.5.2024)
Die Dreharbeiten zu dieser neuen ZDF-Dokumentation waren Ende März, die Vorarbeiten liefen schon länger. Michael Billig und das Drehteam waren an vielen verschiedenen Stellen und sprachen mit Claudia Streichhahn aus der Region, die PFAS im Blut hat. Der Vorsitzende der Bürgeriniatiative „Sauberes Trinkwasser für Kuppenheim“, Dr. Ulrich Schumann kam zu Wort, Reiner Söhlmann von der PFAS-Geschäftsstelle am Landratsamt in Rastatt, selbstverständlich auch Olaf Kaspryk von den Stadtwerken Rastatt, der Landwirt Erik Reiss und der Komposthändler Vogel.
Auch ich wurde zu meinen langjährigen Recherchen in Sachen PFAS gefragt und auch wenn aus fünf Stunden - wie bei allen anderen auch - dann nur ein paar Minuten wurden, ergibt die Dokumentation trotzdem ein rundes Gesamtbild. Schön wäre es gewesen, wenn die 14 Papierfabriken, die aus verschiedenen Landkreisen und Bundesländern geliefert haben, auch etwas gesagt hätten. Die schwiegen aber wohl auch auf Anfrage des ZDF-Teams lieber, sehr schade.
Dabei hatten ein paar von ihnen mit mir gesprochen, als ich für einen Artikel in den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) nachgefragt hatte. Da ging es aber um die Frage, ob die Papierfabriken sich zu Recht als mögliche PFAS-Verursacher auf der Karte des Forever Pollution-Projekts ansahen. Zitat aus dem Artikel in den BNN:
"In der Vergangenheit äußerte sich die Papierindustrie nur sehr selten zum Thema PFAS, diesmal kam aber umgehend eine Antwort auf die Frage, wie man denn zu dieser PFAS-Karte stehe? „Die Rechercheure dieses Projekts haben praktisch jede Papierfabrik als ‘mögliche Kontaminationsstelle’ gelistet. Das ist unsinnig“, so Gregor Geiger, Pressesprecher der Papierindustrie e.V."
Das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe hat von Anfang 2018 bis Mitte 2020 einmal monatlich plus zweimal jährlich bei fünf papier- beziehungsweise kartonherstellenden Betrieben Abwasserproben auf PFAS untersucht (s. Statusbericht 1/2021, S.7). Ich habe für die BNN bei den Firmen nachgefragt, Zitat:
Mayr-Melnhof (MM) antwortete schnell: „in der Produktion am Standort Gernsbach werden und wurden in der Vergangenheit keine PFAS-haltigen Substanzen eingesetzt“. Und die Fa. Glatfelder schickte die Kopie eines Briefes aus dem Jahr 2014: dass „unser Faserschlamm keine PFCs enthält“ sowie die Zusicherung, dass man keine PFC-haltigen Produkte in der Produktion einsetze oder eingesetzt habe.
Das sagen also zwei Papierfirmen. Offene Fragen bleiben für die anderen? Denn in dem vom baden-württembergischen Umweltministerium geförderten Projekt FluorTECH konnten Wissenschaftler zeigen, dass Papierimprägnierungsmittel wohl den wesentlichen Anteil an der Kontamination der Böden darstellen, was die Hypothese grundsätzlich unterstützt, dass Papierschlamm eine Hauptquelle der Kontamination ist.
Beispiele für Lösungsansätze in Mittelbaden
Die PFAS-Belastung von Böden und Gewässern in Mittelbaden ist kein Einzelfall und es wird überall nach Lösungen gesucht. Beispiele für die Bodenreinigung sind aktuell:
1) Fabeko
In Mittelbaden sucht man schon lange nach praktischen Lösungen für die belasteten Böden, dafür gibt es verschiedene Ansätze. "In dem Forschungsprojekt FABEKO untersuchen Wissenschaftler die Möglichkeit, die Chemikalien aus den Böden auszuwaschen und dann im Anschluss das Grundwasser zu reinigen", erklärt Anja Wilken von der Firma Sensatec GmbH aus Kiel, die an dem Projekt FABEKO beteiligt ist. Dann schließen sich zwei verschiedene Reinigungsschritte an: Flotation und Elektro-Aktivkohle
Bei dem einen wird das Wasser quasi aufgeschäumt (Flotation), die PFAS-Moleküle sammeln sich im Schaum an, können dann vom restlichen Wasser abgetrennt und als PFAS-Konzentrat thermisch entsorgt werden.
Bei dem anderen wird das vorgereinigte Wasser über spezielle elektrostimulierte Aktivkohlevliese von PFAS befreit, eine Methode, die von Forschenden des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig entwickelt wurde. Sie ist im Prinzip eine Optimierung der üblichen PFAS-Reinigung durch Aktivkohle, wie sie zum Beispiel auch in den Wasserwerken der Region betrieben wird. „Letztendlich können wir so die PFAS aus rund 1000 Liter Wasser herausziehen und in einem Konzentrat von vier Litern sammeln“, so Robert Köhler vom UFZ.
Die aktuellen Forschungen dazu laufen noch, die Probleme sind nach wie vor die PFAS-Vorläufermoleküle.
2) PFClean
In einem weiteren Projekt PFClean geht man genau den entgegengesetzten Weg. „Wir wollen verhindern, dass die Chemikalien weiterhin aus dem Boden in das Grundwasser gelangen“, so Claus Haslauer, promovierter Ingenieur und Projektkoordinator. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung (VEGAS) an der Universität Stuttgart.
Dafür arbeiten die Wissenschaftler mit einer Mischung auf Aktivkohlebasis (AK), die oberflächlich mit großen Spezialfahrzeugen in den belasteten, sehr sandigen Boden eingearbeitet wird. „Wir wissen aus den vorausgehenden Untersuchungen im Labor, dass die PFAS im Boden an diese Aktivkohlemischung binden; mit der Menge, die wir hier einarbeiten, können wir theoretisch alles abdecken“, so Haslauer. Die Frage ist nur, wie lange die Chemikalien nun im Freiland an die AK-Mischung gebunden bleiben.
3) Bühl, Flächen werden versiegelt
„Wir haben in Bühl nach wie vor circa 130 Hektar belastete Fläche, wir müssen uns um das Sanierungsgebiet Bußmatten kümmern und die Renaturierungsmaßnahmen am Wasserwerk in Balzhofen koordinieren“, zählt der Bühler PFAS-Beauftragte Markus Benkeser auf. Alle großen Baumaßnahmen in Bühl seien mittlerweile von PFAS betroffen, so Benkeser. Die bisherigen Kosten für die Stadt belaufen sich auf rund 900.000 Euro; davon entfallen rund 200.000 Euro auf die Untersuchungen von Boden und Wasser, der Rest fiel für die bisherigen Sanierungsmaßnahmen in Balzhofen und den Bußmatten an. Man rechnet mit einer weiteren Million, die noch kommen könnte, das sind Gelder, die man gerne wenigstens teilweise zurückbekommen würde. Deswegen hat sich Bühl auch der Klage der Stadtwerke Rastatt gegen das Land Baden-Württemberg angeschlossen.
Seit 2017 hatte Markus Benkeser nach einer Lösung für die PFC-belasteten Flächen rund um Bühl gesucht, im Februar 2022 begann dann die Umsetzung des PFC-Sanierungsprojektes Bußmatten, dessen Ziel die langfristige Sicherung des Trinkwassers ist.
„Die übergeordneten Behörden äußerten sich zuerst kritisch, da die Angst bestand, die Bußmatten würden sich zu einer „PFAS-Müll-Deponie des Landes“ entwickeln. Das Landratsamt, das Regierungspräsidium Karlsruhe und das Umweltministerium mussten und konnten am Ende überzeugt werden, sodass der Plan Anfang des Jahres in die Tat umgesetzt werden konnte. „Weil es in der Summe der möglichen Kombinationen oder möglichen Lösungsansätze der einzige vernünftige Weg ist, die andere Wahl wäre gewesen, einfach nichts zu machen,“ fasste Benkeser den Prozess zusammen.
Von fünf PFAS-Flächen aus dem Umfeld des Wasserwerks Balzhofen wurden rund 9.000 Kubikmeter belasteter Boden abgetragen und in Hunderten Lkw-Fuhren in die Bußmatten im Bühler Norden transportiert, wo auch eine sehr starke Belastung des Bodens vorliegt. Das Material wird dort zunächst zwischengelagert und dann bis 2025 in den Boden eingebaut. Umsetzbar wird dies durch die Bodenbegebenheiten vor Ort, die es ermöglichen, den dortigen lehmartigen Boden mit einem Kalk-Zement-Gemisch nach unten abzudichten. Der Boden wird zudem versiegelt, indem auf dieser Fläche ein acht bis zehn Hektar großes Gewerbegebiet entstehen soll.
Die Stabstelle PFC sah die Schwierigkeiten des Projekts vor allem in der dauerhaften Sicherung des Grundwassers. Es handle sich bei dem „Sanierungsplan Bußmatten“ um eine lokale Lösungs des Problems, um einerseits belastete Ackerschläge im Anstrom des Wasserwerks Balzhofen zu sanieren und dadurch die Trinkwassergewinnung zu schützen und andererseits eine signifikante Reduzierung der hohen PFAS-Einträge in das Grundwasser durch die Sicherungsmaßnahmen am Standort Bußmatten bei gleichzeitiger Erschließung als Gewerbegebiet zu erreichen. Diese könne nicht einfach auf andere Gebiete übertragen werden, so die Stabstelle.
Im Mai 2022 wurde dann mit PFAS belasteter Aushub vom Gelände des Klärwerks in Vimbuch ebenfalls in die Bußmatten geschafft – was eine Voraussetzung für den Ausbau der Anlage um eine vierte Reinigungsstufe ist. Die Gesamtkosten für das Sanierungsprojekt Bußmatten/Balzhofen beziffert Markus Benkeser auf etwa 1,5 Millionen Euro.
Die abgetragenen Flächen in Balzhofen werden der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit den entstandenen 60 Zentimeter bis ein Meter tiefen Mulden verbindet der Naturschutz eine Hoffnung auf die Rückkehr von Kiebitz und dem Großen Brachvogel. Die Flächen werden entsprechend vorbereitet.
Weitere Details zu diesem Sanierungsprojekt in Bühl finden Sie sowohl in der PFAS-Broschüre 2023 als auch auf der Homepage der Stadt Bühl.
© Text und Fotos: Patricia Klatt