Reiner Söhlmann ist seit 2015 der Leiter der PFAS-Geschäftstelle 

am Landratsamt in Rastatt und als solcher mit der PFAS/PFC-Problematik in Mittelbaden bestens vertraut. Er ist Ansprechpartner für die Fragen der Bürger und die der Betroffenen, er kennt und unterstützt die aktuellen Forschungen zum Thema und ist auch an dem europäischen Forschungsprojekt ZeroPM beteiligt:

 

Herr Söhlmann, wie hat sich in den letzten sieben Jahren die PFAS/PFC-Situation in Mittelbaden gewandelt?

Am Anfang gab es noch viel Konfrontation und die Behörde wurde von manchen fast als Feind gesehen und der Untätigkeit beschimpft. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch einmal daran erinnern, dass es häufig die Forderung gab, den Boden sofort auszuheben. Es hat sich als die richtige Entscheidung erwiesen, dass wir das abgelehnt haben. Denn man hätte für zig Millionen den Boden ausgetauscht, nur um dann festzustellen, dass das Grundwasser immer noch belastet ist. Denn die Chemikalien wären dann von anderen, damals noch unbekannten verunreinigten Ackerschlägen dort hinein gesickert. Anfangs gingen wir von 200 Hektar aus, jetzt sind es über 1000, da hätten
ein paar wenige Ackerschläge nicht viel gebracht. Wahrscheinlich hätte man uns im Nachhinein der Verschwendung von Steuergeldern bezichtigt.

Mittlerweile hat sich das geändert. Wir werden um Unterstützung bei Problemstellungen gebeten und es werden gemeinsam Lösungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten erarbeitet. Außerdem hört man auf uns, wenn wir Tendenz zu möglichen Werteverschärfungen kommunizieren, auch wenn diese noch keine Rechtsverbindlichkeit haben. Ich hoffe mal, dass mittlerweile eine Vertrauensbasis vorhanden ist.

 Kann man bei dem PFAS/PFC-Skandal auch von regelrechten „Durchbrüchen“ oder Meilensteinen reden?

Zu den Meilensteinen gehört sicher der Verbraucherschutz. Da ist das Vor-Ernte-Monitoring zu nennen, aber auch die Trinkwasserversorgung, die auf neue Beine gestellt wurde. Die Redundanz in der Trinkwasserversorgung war schon immer in der Trinkwasserverordnung vorgeschrieben. Aufgrund der großflächigen Grundwasserkontamination musste diese aber in einer ganz neuen Dimension angedacht und ausgeführt werden. Dies ist nun erfolgt. Ein weiterer Meilenstein war das Gerichtsverfahren, welches uns in unserer Vorgehensweise zur Störer Auswahl bestätigt hat. Die Vorbereitung der Schriftsätze und für die mündliche Verhandlung war allerdings enorm.

Für die Bürger bleibt die Bearbeitung des Ganzen oftmals ein bisschen im Dunkeln, können Sie einmal die wichtigsten Kooperationen oder Zusammenarbeiten nennen?

Möglicherweise wünschen sich Bürger ein zentrales Konzept zur Beseitigung der PFAS/PFC in Boden und Grundwasser. Das wird aber nicht gehen. Die PFAS/PFC werden über Jahrzehnte bleiben.Deshalb geht es um Managementkonzepte mit dem Oberziel, den Verbraucherschutz zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass bei der Nutzung von Boden, Grund- und Oberflächengewässern keine Gefährdung der Menschen entsteht. Dies erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Abstimmung mit den jeweiligen zuständigen Ämtern und übergeordneten Behörden, die das Ganze dann rechtsverbindlich umsetzen müssen. Es ist also ein enormer Abstimmungs- und Koordinierungsaufwand zu bewerkstelligen.

Sie stehen als Ansprechpartner für die Fragen der Bürger bereit, beantworten Medienanfragen und erklären die Fakten in diversen Beiträgen – eigentlich müsste das Thema PFAS/PFC jedem hier in der Region geläufig sein. Die Realität sieht aber anders aus, was glauben Sie, wieso das so ist?

Nun, man kann niemanden dazu zwingen sich zu informieren. In der Kommunikation gibt es eine Bring- und eine Holschuld. Die Bringschuld wird in diesem Fall durch die Behörden erbracht. Es gibt extra beim Regierungspräsidium eine PFAS/PFC Homepage, das Grundwassermodell ist öffentlich. Die betroffenen Kommunen und Wasserversorger haben das Thema PFAS/PFC auf ihren Seiten. Es werden Infoveranstaltungen durchgeführt und Pressemitteilungen herausgegeben. Darüber hinaus beantworten wir Presseanfragen, die in Presseartikel münden. Insofern halte ich die Bringschuld der Behörden für erfüllt. Der Aufwand dieser Öffentlichkeitsarbeit ist nicht zu unterschätzen, das geht nicht von allein. Für die Holschuld ist jeder selbst verantwortlich.

Auch die Forschungen zum Thema PFAS/PFC sind breit gestreut, Sie selbst beraten bei Forschungsprojekten oder arbeiten auch daran mit und betreuen studentische Arbeiten, sieht man dort „Land“ oder sind die Fragen nach wie vor größer als die Lösungen?

Die Forschung hilft uns, Schritt für Schritt weiterzukommen. Die Erkenntnisse über PFAS/PFC waren am Anfang doch sehr bescheiden. Mittlerweile weiß man durch die Forschung doch etwas mehr. Dies hat auch praktische Konsequenzen für unsere Arbeit. Die Erkenntnis, dass wir es hier mit hohen Konzentrationen an Vorläuferverbindungen zu tun haben, hat auch unseren Analysenumfang entsprechend verändert. Wir setzen jetzt bereits Methoden ein, die noch nicht genormt sind, aber uns das Gesamtpotential an organischen Fluorverbindungen aufzeigen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeits-Prüfung bei potenziellen Sanierungen. Andererseits wurde auch sofort überprüft, ob diese Vorläuferverbindungen von Pflanzen aufgenommen werden, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Das geht also Hand in Hand.  Aber es ist auch klar, dass immer wieder neue Fragen auftauchen, die es zu lösen gilt. Wie zum Beispiel die Beurteilungswerte (Grenzwerte), die immer noch nicht fix sind und sich ändern können, was für uns eine ständige Anpassung in der Beurteilung und bei Entscheidungen notwendig macht, wie man ja bei den TWI-Werten oder dem Trinkwasser bereits gesehen hat.

Viele erwarten ja, dass die Forschung ein Sanierungsverfahren entwickelt, welches dann die ganze Problematik schnell lösen wird. So optimistisch bin ich nicht. Das wird so nicht kommen, dafür ist der Schaden viel zu groß.

Ein wichtiger Aspekt im Vorgehen bei der PFAS/PFC-Belastung sind die Konsequenzen, die man aus den verschärften TWI-Werten ziehen muss. Die TWI-Werte sind bundesweit beim Verzehr vieler Lebensmittel bereits überschritten. Sind unsere regionalen Untersuchungen da nicht sogar ein Wissensvorsprung gegenüber anderen Regionen?

Unsere hier, mit großem finanziellem Aufwand, ermittelten Daten werden von uns auch an die anderen Behörden weitergegeben. Sei es für Forschungsprojekte (z.B. Fluortrans beim UBA), an die LUBW oder BfR. Sie bilden eine grundlegende Datenbasis für die mögliche Ableitung von Prüf-Beurteilungs- oder Grenzwerten. Selbst bei der EU werden die Erkenntnisse für die Regulierungsvorhaben zitiert.

Insofern ja, wir sind hier deutlich weiter als andere Regionen und können das bereits ganz anders einschätzen.

Wird der Klimawandel die Konsequenzen der hiesigen PFAS/PFC-Belastung verschärfen? Stichwort Beregnung und PFAS/PFC-Aufnahme?

Es ist davon auszugehen, dass der Klimawandel dazu führt, dass mehr beregnet werden muss und das vermutlich nicht nur bei Sonderkulturen, sondern auch teilweise im normalen Ackerbau. Im Oberrheingraben ist genügend Wasser vorhanden, welches jetzt durch die PFAS/PFC Belastung nicht so einfach genutzt werden kann. Das verschärft die Situation hier erheblich. Deshalb ist eine Lösung für die Beregnung, neben den Anschlüssen der Eigenwasserversorger an die Trinkwasserleitung, eines unserer dringlichsten Aufgaben, die wir lösen müssen.

Und wie ist Ihre persönliche Prognose für die Zukunft der PFAS/PFC-Region Mittelbaden?

Da niemand die PFAS/PFC wegzaubern kann, wird man damit leben müssen. Ich denke so in zehn Jahren wird vieles zur Routine werden. Dann dürften alle möglichen Konstellationen einmal durchgespielt sein und man kann sich an vorhandenen Lösungen orientieren. Das gilt für Baugebiete, Radwege oder Gartenbewässerung aus der Trinkwasserleitung, Sportplatzbewässerung, Anbauempfehlungen, Wasseraufbereitung und vieles mehr.

Herr Söhlmann, herzlichen Dank für das Interview :)

 

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