Stadtwerke Rastatt und Stadt Bühl verklagen das Land

In Mittelbaden sind rund 58 Quadratkilometer des oberflächennahen Grundwassers mit PFAS belastet; eine flächenhafte Reinigung ist weder verhältnismäßig noch bezahlbar. Die Folgekosten für die Sicherung der Trinkwasserversorgung tragen die Wasserversorger, die die kommenden Grenzwerte im Trinkwasser einhalten müssen. Die Stadtwerke Rastatt und die Stadt Bühl klagen nun vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen das Land Baden-Württemberg.

Hintergrund der Klage ist die großflächige Belastung des Grundwassers in Mittelbaden mit PFAS. Die Substanzen sind giftig und bauen sich nicht ab. Die Klägerinnen streben deshalb an, die Grundwasserbelastung der Region in die vom Land erstellte Fortschreibung des Bewirtschaftungsplans Oberrhein vom 20. Dezember 2021 und das daraus entwickelte Maßnahmenprogramm aufzunehmen. Damit verfolgen sie zwei Ziele: Es geht ihnen erstens um einen besseren Grundwasserschutz für die Zukunft, basierend auf einer integrierten Planung, und zweitens um eine gerechtere Verteilung der immensen Kosten für die Wassersanierung; die über Generationen hinweg erforderlich sein wird, um die Region weiterhin mit einwandfreiem Trinkwasser versorgen zu können. Vor Klageeinreichung hatten politische Vertreter der Region und die beiden Klägerinnen dieses dringende Anliegen bereits vielfach an das Land herangetragen; unter anderem mit einer im Juni 2021 vorgelegten Resolution an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Alles ohne Erfolg. Auch im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Bewirtschaftungsplanes zeigte das Land keinerlei Entgegenkommen. Jetzt ist der Verwaltungsgerichtshof am Zug.

 Ziel der Stadtwerke Rastatt ist es, die Kosten der Bekämpfung der PFC-Verunreinigung auf mehrere Schultern zu verteilen. Sie belaufen sich aktuell auf rund 8 Mio. Euro, perspektivisch gehen wir von 15 Mio. Euro im Endausbau aus. Die zukünftigen laufenden Betriebskosten der Aufbereitung und der finalen Zerstörung der PFAS sind hier noch nicht eingerechnet. Bislang wird diese Kostenlast über den Wasserpreis von der Liquidität der Stadtwerke und letztendlich von den Verbraucherinnen und Verbrauchern getragen. Das kann aber nach Auffassung der Stadtwerke nicht richtig sein, da die Kunden mit der Entstehung des Grundwasserschadens nichts zu tun haben.

„Wir haben in Bühl nach wie vor circa 130 Hektar belastete Fläche, wir müssen uns um das Sanierungsgebiet Bußmatten kümmern und die Renaturierungsmaßnahmen am Wasserwerk in Balzhofen koordinieren, nachdem dort der PFAS-belastete Boden abgebaggert worden ist“, zählt der Bühler PFAS-Beauftragte Markus Benkeser auf. Alle großen Baumaßnahmen in Bühl seien mittlerweile von PFAS betroffen, so Benkeser. Die bisherigen Kosten für die Stadt belaufen sich auf rund 900.000 Euro; davon entfallen rund 200.000 Euro auf die Untersuchungen von Boden und Wasser, der Rest fiel für die bisherigen Sanierungsmaßnahmen in Balzhofen und den Bußmatten an.  Man rechnet mit einer weiteren Million, die noch kommen könnte, das sind Gelder, die man gerne wenigstens teilweise zurückbekommen würde. 

 

 

Europaweites Verbot für PFAS 

„Die schädigende Wirkung dieser Ewigkeitschemikalien steht inzwischen außer Frage“, sagt Olaf Kaspryk, Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, was auch schon zu punktuellen Verboten geführt hat. Jetzt – erst im Februar dieses Jahres – haben europäische Fachverbände ein EU-weites Verbot der ganzen Chemikaliengruppe beantragt. „Diese Nachricht ging durch alle Medien. Wie kann es da sein, dass das Land Baden-Württemberg die Augen zumacht und unsere Klage zur Aufnahme der PFAS in die Gewässerbewirtschaftungsplanung in seinem aktuellen Halbjahresbericht zur PFAS-Belastung von landwirtschaftlichen Flächen und Trinkwasser unerwähnt lässt?“, fragt sich der Rastatter Oberbürgermeister Hans-Jürgen Pütsch, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke.

 Land ignoriert Kosten der Städte und Gemeinden

Irritiert zeigen sich die beiden klagenden Wasserversorger auch über den genannten Halbjahresbericht, der sich ausdrücklich mit PFAS-Belastungen von Flächen und Trinkwasser im Landkreis Rastatt und angrenzenden Gemeinden sowie der Bekämpfung dieser Belastungen befasst. Er wurde zum Jahresende 2022 veröffentlicht und behandelt den Berichtszeitraum von Januar bis Juni 2022: Obwohl dieser Bericht nach seinem Wortlaut auch die Kosten der Städte und Gemeinden darstellen soll, wird ihre konkrete Höhe unterschlagen. „In diesem Bericht sind weder die Kosten aufgeführt, die den Großen Kreisstädten Rastatt und Bühl entstanden sind, noch die Aufwendungen der Gemeinden Kuppenheim, Gernsbach, Sinzheim und Hügelsheim oder die ihrer jeweiligen Stadtund Gemeindewerke. Auch zu den Kosten der übrigen Gemeinden in der Region fehlt jeglicher Hinweis. Eine Abfrage vor Erstellung des Berichts fand nicht statt, wir fühlen uns schlicht übergangen“, erklärt Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Rastatt, Hans Jürgen Pütsch, hat er seine Irritation über dieses Vorgehen gegenüber der LandesUmweltministerin Thekla Walker in einem Schreiben zum Ausdruck gebracht und um Richtigstellung gebeten. 
 

Land in der Pflicht

Die Bewirtschaftungsplanung soll dazu dienen, einen guten chemischen Zustand der Gewässer zu erhalten oder zu erreichen. Dem steht, wie in der Klagebegründung detailliert nachgewiesen wird, die tendenziell noch immer zunehmende PFAS-Belastung entgegen. Nach Auffassung der Klägerinnen ist es deshalb Aufgabe der Gewässerbewirtschaftungsplanung, hier zu einer Trendumkehr zu kommen; sie sehen dafür das Land in der Pflicht

 Klägerinnen stützen sich auf aktuelle Rechtsauffassung

In den eigentlichen juristischen Ausführungen stützt sich die Klagebegründung einerseits auf aktuelle Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft, die bei einem in Rastatt von den Stadtwerken veranstalteten Symposium vorgetragen und erörtert wurden. Andererseits liegen den Ausführungen zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2019 zugrunde. Das Gericht hat in diesen Entscheidungen ausgeführt, dass Wasserversorgungsunternehmen wie den beiden Klägerinnen im Falle von Verunreinigungen im Rohwasser ihrer Wasserwerke ein durchsetzbares Recht auf Berücksichtigung dieser Verunreinigungen in der Bewirtschaftungsplanung zusteht. Daraus und aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie den zu ihrer Umsetzung erlassenen Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes über die Gewässerbewirtschaftungsplanung leitet sich der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch ab.

 Unvollständige Darstellung der Situation untragbar

Parallel zur Klage gegen das Land läuft ein Zivilprozess der Stadtwerke Rastatt gegen den mutmaßlichen Verursacher der PFC-Verunreinigung und eine Schadensersatzforderung der Gemeinde Hügelsheim. Auch sie ist ebenfalls seit Jahren anhängig. „Im Halbjahresbericht des Landes zur Belastungssituation in der Region mit PFC ist auch davon nichts zu lesen, obwohl die Prozesse sowohl in Fachkreisen als auch in der Öffentlichkeit höchste Aufmerksamkeit haben“, äu- ßert sich der Bühler Oberbürgermeister verwundert; „das ist auch angesichts möglicher Schlussfolgerungen bei den Beklagten untragbar.“


(Quelle: gemeinsame Pressemitteilung der Stadtwerke Rastatt und der Stadt Bühl, 24.2.2023, veröffl. 8.3.2023)

 

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s.auch https://pfas-dilemma.info/aktuelles/36-schadensersatz-wegen-pfas-belastetem-kompost

 

 

 

 

 

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