Die Vertreter der Klägerin Stadtwerke Rastatt, links im Bild die beiden Anwälte Dr. Dominik Greinacher (links), Dieter Eckert (zweiter von links). Bildquelle: Oliver Hurst

Wer haftet für die Folgen der PFAS-belasteten Böden?

„Es geht hier nicht um Schuld, sondern um die Frage, wer haftet“, betont Dr. Dominik Greinacher, der klageführende Anwalt der Stadtwerke Rastatt.  Am 14. März war der zweite Anlauf für den Zivilprozess  der Stadtwerke Rastatt  gegen das Kompostunternehmen der Region Mittelbaden vor dem Landgericht Baden-Baden. Der Prozess war bereits für den 26. März 2021 angesetzt gewesen, wurde aber Corona-bedingt  und wegen des hohen Publikumsinteresses verschoben. Die Stadtwerke verlangen Schadenersatz in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Hinzu kommen die Kosten, die künftig noch auf den Versorger zukommen könnten.

 

Im Mai 2019 hatten die Stadtwerke Rastatt die Klage gegen den Komposthändler eingereicht, wie sie auf ihrer Homepage ausführlich darstellen. „ Durch Rückstände von per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) im Grundwasser sind dem Rastatter Wasserversorger bis dato rund 6,5 Millionen Euro Kosten entstanden. Verursacht worden sind diese Schäden höchstwahrscheinlich durch den Betreiber von Kompostbetrieben, der bis Ende des Jahres 2008 Kompost mit PFAS/PFC-haltigen Rückständen auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht hat oder aufbringen ließ. Das in der Mischung enthaltene PFAS/PFC wird ausgewaschen und gelangt über den Boden ins Grundwasser, aus dem die Stadtwerke Rastatt Trinkwasser gewinnen. Diese Verunreinigung hat zu umfangreichen Schäden sowie entsprechenden Vorsorgemaßnahmen bei den Stadtwerken Rastatt geführt. Diese sehen den Komposthändler auch für künftige Schäden durch den PFAS/PFC-Eintrag und deren Behebung in Haftung: Wer den Schaden verursacht hat, soll für dessen Behebung und Folgekosten aufkommen. In Deutschland gilt das Verursacherprinzip“, so die Stadtwerke.

 

Es ist nicht die erste Klage gegen den Komposthändler.  Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hatte Ende Januar 2017 die Ermittlungen gegen ihn nach drei Jahren eingestellt: „Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschuldigten, die sich durchaus unterscheidet von der verwaltungsrechtlichen Störerhaftung, konnte nach alledem aus objektiven wie subjektiven Gesichtspunkten nicht sicher festgestellt werden“.

 

Der Komposthändler wiederum klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe dagegen, dass ihm vom Landratsamt Rastatt  und der Stadt Baden-Baden die Kosten für die bodenschutzrechtlichen Untersuchungen auf PFAS/PFC von mehr als 240.000 Euro in Rechnung gestellt worden seien, das VG wies diese Klage mit einer 80seitigen Begründung letztendlich ab, das Urteil ist rechtskräftig.

 

Nun also der Zivilprozess, bei dem sich die Stadtwerke gar keine schlechten Erfolgschancen ausrechnen, da zum Beispiel die Verjährung im Straf- und im Zivilrecht eine unterschiedliche Bedeutung hat wie Greinacher gegenüber den BNN bereits im letzten Jahr erklärte.  „In unserem Fall beginnt sie nach dem Wasserhaushaltsgesetz erst mit dem Abschluss des Schadensereignisses. Das heißt, dass die Verjährung unserer Ansprüche noch gar nicht begonnen hat, da die PFAS/PFC nach wie vor aus dem Boden in das Grundwasser gelangen, der Schaden dauert also an und ist nicht abgeschlossen“, so  Greinacher. Und es geht bei der Zivilklage natürlich darum, wer für die PFAS-Belastungen im Grundwasser geradestehen muss.

In einem Pressevorgespräch am 7. März ergänzte Greinacher dann im Hinblick auf den kommenden Prozess, dass man mittlerweile auch ermutigende Neuigkeiten seitens des Gerichts zu berichten habe. Denn das Gericht habe bereits im Vorfeld der Verhandlung in ausführlichen Hinweisbeschlüssen dargelegt, dass es der Rechtsauffassung der Stadtwerke Rastatt folgt.  „Die Stadtwerke Rastatt haben bewiesen, was sie zu beweisen hatten“, fasst Dominik Greinacher zusammen und fügt an: „Deshalb hat das Gericht die Beweislast umgekehrt.“ Die Stadtwerke haben detailliert vorgetragen, dass der Komposthändler Papierschlämme, also Rückstände aus Produktionsabwässern der Papierindustrie angenommen, verarbeitet und weitergegeben hat, und hierfür auch umfangreich Beweis angetreten. Sie haben durch Dokumente wie Lieferscheine und Begleitpapiere dokumentiert, dass die angenommenen, verarbeiteten und ausgebrachten Papierschlämme mit PFAS/PFC verunreinigt waren; Schlämme dieser Art aus den anliefernden Papierfabriken im Murgtal und andernorts seien jedenfalls zu dieser Zeit stets oder überwiegend mit PFAS/PFC verunreinigt gewesen. Dem Antrag der Stadtwerke, hierüber das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, hat das Gericht inzwischen entsprochen; es steht jedoch noch aus.

Deswegen müssen die Stadtwerke,  vereinfacht gesagt, nun zunächst nur beweisen, dass das Kompostwerk samt Ausbringungsstruktur geeignet war, die PFAS/PFC-Verunreinigungen zu verursachen. Diesen Beweis habe man erbracht und nun müsse der Komposthändler andere konkret geeignete Ursachen darstellen und beweisen, so Greinacher. 

Die Stadtwerke Rastatt haben als Wasserversorger bereits einen Schaden in Millionenhöhe erlitten. Dieses Geld wollen sie von dem Kompostunternehmer wiederhaben. „Es geht hier nicht um Schuld, sondern um die Frage, wer haftet“, stellte Greinacher klar.

 

Unerwarteter Prozessverlauf

Nach dieser langen Vorgeschichte und dem Pressevorgespräch am 7. März ließ der Prozess selbst dann so manchen allerdings etwas ratlos zurück.

Dass Kläger und Beklagte in so ziemlich jedem Punkt anderer Meinung waren, ist nachvollziehbar. Die Fragen der Richter des Landgerichts waren aber eher unerwartet; wie man die Flächen untersucht habe, wieso man so sicher über die Ackerschlags-genaue Ausbringung der Papierschlamm-Komposte sei oder was man über die PFAS/PFC-Belastung des Grundwassers vor der ersten Messung im Jahr 2012 sagen könne. Vom Komposthändler wollte man wissen, wieso er überhaupt die Papierschlämme angenommen habe und wieso er sicher sei, dass  eben nicht die Papierschlämme ursächlich für die PFAS/PFC-Belastung des Grundwassers seien. Es ging um Konsistenz und Farbe der Papierfasern, um Klärschlämme und auch erneut um Flugbenzin.

Die beklagte Seite bestritt, dass die Fasern PFAS/PFC-haltig gewesen seien, sie bestritt, dass die Belastung an den Ackerrändern enden würde, ebenso bestritt man, dass das PFAS/PFC-Verteilungsmuster auf die Papierschlämme als Ursache hinweisen würde.

Letztendlich konkretisierte das Landgericht die Anforderungen an die Beweisführung im Rahmen seiner bisherigen, schriftlichen Ausführungen zur Beweislast; insbesondere erklärte der Vorsitzende, dass er die Ergebnisse der umfangreichen Sachverhaltsermittlungen durch die Umweltbehörden nicht ohne Weiteres anerkennt. Die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe der im Fall des Komposthändlers bereits ergangenen Urteile seien hier nicht eins zu eins zu übernehmen.

Es erging der Beschluss, am 13. Juni 2022 weiter mündlich zu verhandeln. Auf die Frage des Vorsitzenden nach einer Vergleichsbereitschaft erklärten beide Parteien, dass das derzeit nicht in Frage komme.

 

Update Pressemitteilung Landgericht 1.Juni:

Rechtsstreit der Stadtwerke Rastatt gegen die Umweltpartner XXX wegen Umweltschadensersatz

Die zuständige Zivilkammer 1 des Landgerichts Baden-Baden hat auf Antrag der Klagepartei eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Es geht dabei vor allem um die Behauptung der Klagepartei, die Beklagte habe durch Aufbringung von Abfällen aus der Papierindustrie auf bestimmten Flächen zwischen 2006 und 2008 die Verunreinigung des Brunnenwassers der Brunnen Niederbühl und Rauental durch PFC verursacht. Grundlage der Begutachtung sind im wesentlichen Wasserproben aus dem An- und Abstrom der o.g. Brunnen und Flächen.

Den für den 13.06.2022 vorgesehene Verhandlungstermin hat die Kammer aufgehoben.

 

 

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