Komposthändler klagt erneut vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe
In Mittelbaden sind vor rund 20 Jahren PFAS über mutmaßlich belasteten Papierschlamm-Kompost auf die Äcker gelangt. Es waren und sind umfangreiche, sehr teure Untersuchungen notwendig, um das Ausmaß des Schadens zu erfassen. Die Kompostfirma Vogel gilt als möglicher Verursacher. Vogel klagte vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe dagegen, die Kosten für Detailuntersuchungen im Bereich Bühl-Vimbuch-Steinbach zu übernehmen. Die Klage wurde abgewiesen.
Juristische Auseinandersetzung der PFAS-Geschichte geht weiter
Wie sagte der Kollege Bernd Kappler bereits bei der Verhandlung beim VG Karlsruhe im Oktober 2017?
„Franz Vogel wird das Image nicht los, allein für den PFC-Skandal verantwortlich zu sein: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klagen der Kompostfirma Vogel im Zusammenhang mit den PFC-Verunreinigungen nach der Hauptverhandlung am Dienstag abgewiesen.“
Deswegen war die Gerichtsverhandlung am 22.2.2024 eine Art Deja-vu; wieder ging es um die Bearbeitung der PFAS-Belastung (diesmal im Teilbearbeitungsgebiet Bühl-Vimbuch-Steinbach) und erneut auch um die Kostenübernahme der Detailuntersuchungen. Die zuständigen Behörden des Landkreises Rastatt hatten die Kompostfirma Vogel dafür herangezogen. Dagegen hat diese geklagt und sich gegen die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme zur Durchführung von bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchungen gewandt. Das Unternehmen bestreitet, alleiniger Verursacher der Verunreinigungen zu sein.
Dreidimensionales Bild der Schadenserfassung notwendig
Die ausgedehnten Detailuntersuchungen sind notwendig, um ein dreidimensionales Modell der Belastungen zu erstellen, in der Hoffnung eines wie auch immer gearteten Sanierungskonzeptes in der Zukunft. Die Untersuchungen sind sehr teuer und sehr aufwändig. Sie erfolgen in mehreren Stufen und laufen schon seit 2021.
Man untersucht das Grundwasser in verschiedenen Tiefen und bestimmt die Fließrichtung und Verbreitung der PFAS darin; es werden Rammkernsondierungen durchgeführt, um die Bodenbelastungen zu bestimmen. „Ebenfalls im Rahmen der Bodenuntersuchungen wurden an sieben weiteren Flächen Oberbodenproben entnommen und auf PFAS im Eluat und im Feststoff untersucht. Bis auf eine wurden dabei alle Flächen als belastet eingestuft und durch die Durchführung einer Sickerwasserprognose eine Prüfwertüberschreitung am Ort der Beurteilung festgestellt“, erklärt Reiner Söhlmann, der Leiter der PFAS-Geschäftsstelle am Landratsamt Rastatt (LRA).
Momentan befindet man sich in der Stufe 4 und führt Tiefenbohrungen durch, um zu messen, ob die PFAS den Unteren Grundwasserleiter bereits erreicht haben. Das ist aus Kostengründen eine leicht abgespeckte Version der geplanten Untersuchungen. „In der 4. Phase der Erkundungen war vorgesehen, drei Tiefenmessstellen bis in den Unteren Grundwasserleiter zu bohren. Aufgrund der Kostenexplosion werden jetzt nur zwei gebohrt und weniger geophysikalische Messungen durchgeführt. Die Erkenntnis, ob PFAS bereits in den Unteren Grundwasserleiter abgesunken sind, wird trotzdem erreicht“, so Söhlmann.
Papierschlämme als Ursache wahrscheinlich
Um die Details dieser Untersuchungen ging es bei der rund zweistündigen Gerichtsverhandlung vor der vierten Kammer des VG unter dem Vorsitz der Richterin Claudia Protz aber nur am Rande. Stattdessen wurde wieder einmal die Frage des/der Verursacher(s), der Schuld und auch die der Rolle von Klärschlämmen bei der mittelbadischen PFAS-Belastung diskutiert.
Wenig überraschend lehnten Andreas Conzelmann, der Anwalt des Komposthändlers sowie der Sachverständige Hans-Norbert Marx die alleinige Ursache der Belastung durch das Aufbringen des Papierschlamm-Kompostes ab und brachten erneut die Sprache auf die Klärschlämme, die ihrer Ansicht nach nicht hinreichend untersucht worden seien. Die PFAS-Mengen auf den Äckern könnten nicht allein von den Papierschlämmen stammen.
Und ebenso wenig war man über den Widerspruch der Behörden überrascht. Klärschlamm sei untersucht worden, sowohl landesweit durch die Landesanstalt für Umwelt als auch zusätzlich gezielte Flächen durch die Behörden, man habe dort lediglich geringe Belastungen gefunden. „In dem Zeitraum zwischen den Jahren 2001 bis 2011 wurden rund 10.000 Tonnen Klärschlamm gleichmäßig auf den Feldern im Landkreis verteilt, seltsamerweise gibt es nördlich von Rastatt aber keine erhöhte PFAS-Belastung“, so Söhlmann.
Wohingegen man die Papierschlämme allein aufgrund der aufgebrachten Mengen wie auch aufgrund der Belastungen einer der liefernden Papierfabriken als wahrscheinlichste Ursache ansehen müsse, so die Justiziarin des LRA. Die Papierschlämme dieser Fabrik, die pro Jahr circa 80.000 Kilogramm PFAS-haltiger Barrieremittel verarbeite, seien hochbelastet gewesen.
Bis zum Jahr 2005 seien Papierschlämme als Industriemüll auf die Deponie in Oberweier gekommen. Die Klägerin habe danach Papierschlamm und damit Industriemüll als Dünger auf die Felder aufgetragen, so Söhlmann und Hübner. Man habe die Aussage eines Landwirtes vorliegen, dass mehrfach im Jahr mehr als 30 Zentimeter Papierschlamm-Kompost auf sein Feld gekommen seien.
Klage abgewiesen
Letztendlich hat die vierte Kammer des Verwaltungsgerichtes nach Anhörung der Argumente beider Seiten die Klage abgewiesen. Die Entscheidungsgründe werden im Laufe des Monats März 2024 erwartet. „Eine Berufung wurde nicht zugelassen“, so die Pressestelle des Gerichts. Es könne aber ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Die Frist für diesen betrage einen Monat ab Zustellung des vollständigen Urteils.
Kläger als Sündenbock?
Die Entscheidung des Gerichts sei für die Firma Umweltpartner Vogel AG (UPV AG) nicht überraschend gekommen, so Hans-Norbert Marx auf Nachfrage. Das Gericht habe schon im Vorfeld durchblicken lassen, dass eine Abweichung von den bereits getroffenen Entscheidungen schwer zu begründen sei. Seitens der Firma UPV AG sei noch nicht entschieden, ob und wie weitere Rechtsmittel in Anspruch genommen werden würden. Fakt sei jedoch, dass die Firma UPV AG die im Raum stehenden Kosten nicht übernehmen könne. Dies sei insofern tragisch, als dass, wenn die UPV AG tatsächlich PFAS belastete Papierfaserabfälle erhalten haben sollte (was weiterhin unbewiesen sei und bestritten werde), die Firma ein „Opfer“ der Papierfabriken wäre. Zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Übernahme der Papierfaserabfälle sei dem Komposthändler die Existenz von PFAS nicht einmal bekannt gewesen.
„So müsste die Firma UPV AG für Umweltvergehen anderer geradestehen, ein Umstand, der schwer zu begreifen ist“, sagt Hans-Norbert Marx.
Links zu weiteren juristischen Auseinandersetzungen:
© Patricia Klatt (Text)