Im Landkreis Rastatt ist das Grundwasser auf rund 127 Quadratkilometern mit PFAS belastet – verursacht durch die Aufbringung von PFAS-haltigem Papierschlamm-Kompost auf die Böden; die Papierschlämme hatte ein regionaler Komposthändler von 14 Papierfabriken erhalten. Details dazu finden Sie hier: 👉PFAS in Rastatt und Mittelbaden.
Das Trinkwasser der Region muss deswegen gereinigt werden, alle Wasserversorger sind betroffen: Die Stadtwerke Rastatt mussten eines ihrer drei Wasserwerke stilllegen, in den beiden verbleibenden Anlagen wurden große Aktivkohlefilter installiert, die die PFAS zurückhalten. Die Kosten sind enorm und als Konsequenz mussten die Stadtwerke den Wasserpreis erhöhen. Für Olaf Kaspryk, den Geschäftsführer der Stadtwerke, wäre es deshalb auch "wünschenswert, wir hätten in Deutschland eine Verursacherhaftung über die gesamte Wertschöpfungskette, also von der Entwicklung über die Produktion, den Handel und die Nutzung bis zur Entsorgung. Das würde von vornherein zu einem sorgsameren Umgang mit Stoffen führen und auch den Gerichten die Arbeit erleichtern.“ (PM der Stadtwerke Rastatt, s.u.).
Um zumindest einen Teil der PFAS-bedingten Kosten erstattet zu bekommen, hatten die Stadtwerke den Komposthändler bereits vor sechs Jahren auf 6,5 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Am 27. Oktober 2025 wurde nun vor dem Landgericht Baden-Baden der Sachverständige in dem Fall gehört. Im folgenden Beitrag lesen Sie das aktuelle Update zum Prozess 2025; Berichte über den bisherigen Verlauf (2022) finden Sie weiter unten im Anschluss.
Die Verhandlung Stadtwerke Rastatt – Komposthändler geht in die nächste Runde
Am 27. Oktober 2025 wurde vor dem Landgericht in Baden-Baden erneut „in Sachen PFAS“ verhandelt.
In dem Zivilverfahren der Stadtwerke Rastatt GmbH gegen die Umweltpartner Vogel AG auf Zahlung von Schadensersatz wegen Inverkehrbringen von vermeintlich PFC-belastetem Kompostmaterial hatte die 1. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden den Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. Den Vorsitz hatte der Präsident des Landgerichts, Dr. Frank Konrad Brede, die beiden Beisitzerinnen waren die Richterin am Landgericht Katrin Flum sowie die Richterin Helena Schroeter. Im Mai 2019 hatten die Stadtwerke Klage eingereicht, im März 2022 war der letzte Verhandlungstag. Damals erging im Nachgang ein Beweisbeschluss, in dem das Gericht die Erstellung eines Sachverständigengutachtens angeordnet hat. Das liegt nun vor und wurde von Dr. Dietmar Barkowski, Sachverständiger für Bodenschutz und Altlasten aus Ostwestfalen erstellt.
Der Komposthändler erschien persönlich, begleitet von seiner Tochter, der Prokuristin des Unternehmens. Vertreten wurde er von dem Rechtsanwalt Andreas Conzelmann. Als eigene Sachverständige brachte er den Diplom-Geologen Michael Kasper sowie der Diplom-Ingenieur Hans-Norbert Marx mit; letzterer begleitet den Komposthändler regelmäßig zu den diversen Verhandlungen. Für die Stadtwerke Rastatt waren der Geschäftsführer Olaf Kaspryk, Dr. Michael Reinhard von der Firma Arcadis und die beiden Rechtsanwälte Dr. Dominik Greinacher und Dieter Eckert. Sie sollten allerdings in den kommenden vier Stunden wenig zu Wort kommen.
Ein kleiner Exkurs in die Tiefen der Chemie
Denn die Verhandlung wurde zunächst dominiert von sehr vielen, sehr detaillierten und sehr spezifischen Fragen von Michael Kasper an den Gutachter; profunde Chemiekenntnisse waren hier als Zuhörer von Vorteil.
Es ging um Aspekte wie um das Ausbreitungsverhalten der PFAS, um deren Bindung an den Boden, die Auswaschung, den pH-Wert, langkettige und kurzkettige PFAS und die Rolle der Vorläufersubstanzen. Man lernte Begriffe wie Chromatografie-Effekt, der relevant ist, wenn sich Stoffe unterschiedlich schnell ausbreiten. Adsorption und Desorption oder auch Fingerprint und Clusteranalysen wurden von Dr. Barkowski ebenfalls erläutert. Es ging weiter mit den Wasserwerken Rauental und Niederbühl, dem Zustrom des belasteten Wassers, den Grundwassermessstellen, dem Sog, der bei der Wasserentnahme entsteht und mit Begriffen wie Perfluorcarbonsäuren, Perfluorsulfonsäuren.
Was gelangt vom Boden ins Grundwasser?
Hinter all den detaillierten Ausführungen stand letztendlich die Frage, ob die gefundene PFAS-Konzentration und Verbreitung mit den PFAS in den Böden erklärt werden können und ob das PFAS-Muster der Böden und des Grundwassers (GW) durch die Imprägnierungsmittel der Papierindustrie erklärt werden können oder nicht. Den Zuhörern wurde klar, dass man weit davon entfernt ist, alle Imprägnierungsmittel von Papieren zu kennen – Barkowski verwies in dem Zusammenhang auf das Umweltbundesamt, das PFAS-Verbindungen auflistet, die zur Papier-Imprägnierung verwendet werden. Es wurde aber ebenfalls klar, dass man trotzdem genug weiß, um diese Frage mit „Ja“ beantworten zu können; ja, die Imprägnierungsmittel können die PFAS-Belastung erklären. Man bekam anhand dieser Detailfragen und -Antworten übrigens auch als Nicht-Chemiker eine Vorstellung von der Komplexität des Ganzen, die eine einfache Beantwortung der Fragen eben nicht so einfach machte.
Landwirtschaft, Klärschlämme und umfangreiche Versuche zu den Einzelheiten
Dann wandte sich Kasper den landwirtschaftlichen Flächen zu, von denen durch die Messungen eine Ackerschlagsgenaue PFAS-Konzentration unterschiedlicher Höhe nachgewiesen wurde. Dieser Punkt war dann einmal unstrittig, aber die Ursachen wurden erneut, wie in vielen Verhandlungen zuvor, kontrovers diskutiert. Ob man denn andere Ursachen wie Industrie, Gewerbe oder Klärschlamm kategorisch ausschließen können und inwieweit die Murg bei Hochwasser ebenfalls zu der GW-Belastung beitragen könnte?
Der Vorsitzende Richter betonte, die Frage nach möglichen Alternativen zu dem Papierschlamm-Kompost als Ursache sei eine der Kernfragen des Prozesses.
Barkowski verwies in dem Zusammenhang auf Versuche, die unter genau definierten Bedingungen durchgeführt worden seien und deren Ergebnisse mit den Werten in der Region verglichen wurden (Lysimeter-Versuche, Fluortec-Studie sowie Untersuchung belasteter Bodenproben und Abgleich mit den PFAS-Imprägnierungsmitteln). Die Laborergebnisse würden die vorliegenden Belastungswerte und Muster erklären können, so Barkowski.
PFAS im Klärschlamm als Hauptbelastungsquelle auszuschließen
Dieser Punkt ist schon seit vielen Jahren strittig und die Klärschlämme werden von dem Komposthändler immer wieder als alternative Ursache zu den Papierschlämmen angeführt. Auch Toilettenpapier sei mit PFAS-Vorläufersubstanzen beschichtet und die Chemikalien könnten ja auch auf diesem Wege über Klärschlämme auf die Felder gekommen seien, sagte Michael Kasper.
Dieses Argument konnte von dem Gutachter aber sofort widerlegt werden. Die Klärschlämme könne man als Hauptbelastungsquelle ausschließen, so Barkowski. Denn die in den Jahren vor 2008 vorherrschende Komponente in Klärschlämmen sei das PFAS Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) gewesen, die Papierschlämme würden kein PFOS enthalten, und auf den Äckern habe man auch kein PFOS gefunden, ergo seien die Klärschlämme als Ursache der Belastung auszuschließen. Übrigens ebenso wie die von Kerosin, was von Dr. Barkowski ebenfalls dargelegt wurde. Dafür bräuchte man eine flächige und nicht parzellengenaue Verteilung der PFAS.
Für Barkowski fügen sich die vielen kleinen Puzzleteile der Untersuchungen also zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen; Durch den Einsatz von Kompostgemischen mit Papierfaserabfällen gelangten PFAS-Vorläufersubstanzen auf landwirtschaftliche Flächen. Dort wurden sie mikrobiologisch zu nicht abbaubaren, wasserlöslichen PFAS umgewandelt, die mit dem Sickerwasser ins Grundwasser gelangten und so die Brunnen der Stadtwerke Rastatt erreichten – ein Prozess, der bis heute anhält.
Nach der vierstündigen Befragung des Sachverständigen wurde dieser vom Vorsitzenden Richter Brede entlassen.
Gütliche Einigung möglich?
Zum Abschluss kündigte Brede an, dass das Gericht weitere Fragen klären müsse – etwa zur genauen Beprobung der Ackerflächen und auch, ob die GW-Belastung im Wesentlichen durch die Flächen zu erklären sei, die vom Komposthändler mit seinen Gemischen beaufschlagt worden seien.
Könnten sich beide Parteien stattdessen eine gütliche Einigung vorstellen? Das war die Frage, die sich für Brede nach dem langen Verhandlungstag stellte: Es sei unstrittig, dass die Flächen mit Papierschlamm-Kompost beaufschlagt worden seien und es stelle sich einfach die Frage, ob der Komposthändler nicht bereit sei, sich mit einer nennenswerten Summe an den Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen? Eine Insolvenz des Unternehmens sei ja für niemanden erstrebenswert.
Rechtsanwalt Andreas Conzelmann stellte hierzu klar, dass es noch keinen konkreten Vorschlag gebe. Olaf Kaspryk erklärte, er könne zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls nichts dazu sagen, betonte jedoch, dass sich die Stadtwerke durch den heutigen Verhandlungstag in ihrer Argumentation bestätigt fühlen würden, eine Auffassung, die auch seine Rechtsanwälte teilten.
Der Vorsitzende Richter Brede erklärte abschließend, dass sich das Gericht nach der heutigen Sachverständigenanhörung beraten und am 10.11.2025 seinen Beschluss verkünden würde, der das weitere Vorgehen erklären werde.
Hintergrund-Links:
- Pressemitteilung des Landgerichts (22.10.2025): Schadensersatzklage der Stadtwerke Rastatt GmbH gegen die Umweltpartner Vogel AG wegen PFC-Belastung
- Pressemitteilung der Stadtwerke Rastatt (17.10.2025): Im PFAS-Prozess gegen Verursacher geht es weiter
- Wer haftet für die Folgen der PFAS-belasteten Böden? (14.3. 2022) Zivilklage Stadtwerke Rastatt gegen den Komposthändler
- Gericht verurteilt Kompostunternehmer wegen PFAS-Belastung – der zeigt sich schockiert (25.7.2024) Badische Neueste Nachrichten
- Kanzlei FranssenNusser2021, Landgericht Baden-Baden, Teil- und Grundurteil vom 25. Juli 2024 – 3 O 319/17 – zur Haftung eines Kompostunternehmers wegen PFC-Belastung des Trinkwassers
- Wie die Stadtwerke Rastatt mit PFAS umgehen – Olaf Kaspryk im Gespräch (30. Juli 2024)
- PFAS im Trinkwasser sind kein Kavaliersdelikt; 4. PFAS-Forum der Stadtwerke Rastatt (6.8.2025)
- Wasserwerk in Rastatt-Ottersdorf: Innovative Anlage filtert PFAS (12.7.2024)
- Stadtwerke Rastatt und Stadt Bühl verklagen das Land (12.3. 2023)
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Wer haftet für die Folgen der PFAS-belasteten Böden? (Verhandlung 14.3.2022)
Verhandelt wurde 2022 aus Platzgründen im Kloster Lichtental in Baden-Baden, Foto Klatt
„Es geht hier nicht um Schuld, sondern um die Frage, wer haftet“, betont Dr. Dominik Greinacher, der klageführende Anwalt der Stadtwerke Rastatt. Am 14. März 2022 war der zweite Anlauf für den Zivilprozess der Stadtwerke Rastatt gegen das Kompostunternehmen der Region Mittelbaden vor dem Landgericht Baden-Baden. Der Prozess war bereits für den 26. März 2021 angesetzt gewesen, wurde aber Corona-bedingt und wegen des hohen Publikumsinteresses verschoben. Die Stadtwerke verlangen Schadenersatz in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Hinzu kommen die Kosten, die künftig noch auf den Versorger zukommen könnten.
Im Mai 2019 hatten die Stadtwerke Rastatt die Klage gegen den Komposthändler eingereicht, wie sie auf ihrer Homepage ausführlich darstellen. „ Durch Rückstände von per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) im Grundwasser sind dem Rastatter Wasserversorger bis dato rund 6,5 Millionen Euro Kosten entstanden. Verursacht worden sind diese Schäden höchstwahrscheinlich durch den Betreiber von Kompostbetrieben, der bis Ende des Jahres 2008 Kompost mit PFAS/PFC-haltigen Rückständen auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht hat oder aufbringen ließ. Das in der Mischung enthaltene PFAS/PFC wird ausgewaschen und gelangt über den Boden ins Grundwasser, aus dem die Stadtwerke Rastatt Trinkwasser gewinnen. Diese Verunreinigung hat zu umfangreichen Schäden sowie entsprechenden Vorsorgemaßnahmen bei den Stadtwerken Rastatt geführt. Diese sehen den Komposthändler auch für künftige Schäden durch den PFAS/PFC-Eintrag und deren Behebung in Haftung: Wer den Schaden verursacht hat, soll für dessen Behebung und Folgekosten aufkommen. In Deutschland gilt das Verursacherprinzip“, so die Stadtwerke.
Die Vertreter der Klägerin Stadtwerke Rastatt, links im Bild die beiden Anwälte Dr. Dominik Greinacher (links), Dieter Eckert (zweiter von links). Bildquelle: Oliver Hurst
Es ist nicht die erste Klage gegen den Komposthändler. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hatte Ende Januar 2017 die Ermittlungen gegen ihn nach drei Jahren eingestellt: „Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschuldigten, die sich durchaus unterscheidet von der verwaltungsrechtlichen Störerhaftung, konnte nach alledem aus objektiven wie subjektiven Gesichtspunkten nicht sicher festgestellt werden“.
Der Komposthändler wiederum klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe dagegen, dass ihm vom Landratsamt Rastatt und der Stadt Baden-Baden die Kosten für die bodenschutzrechtlichen Untersuchungen auf PFAS/PFC von mehr als 240.000 Euro in Rechnung gestellt worden seien, das VG wies diese Klage mit einer 80-seitigen Begründung letztendlich ab, das Urteil ist rechtskräftig.
Nun also der Zivilprozess, bei dem sich die Stadtwerke gar keine schlechten Erfolgschancen ausrechnen, da zum Beispiel die Verjährung im Straf- und im Zivilrecht eine unterschiedliche Bedeutung hat wie Greinacher gegenüber den BNN bereits im letzten Jahr erklärte. „In unserem Fall beginnt sie nach dem Wasserhaushaltsgesetz erst mit dem Abschluss des Schadensereignisses. Das heißt, dass die Verjährung unserer Ansprüche noch gar nicht begonnen hat, da die PFAS/PFC nach wie vor aus dem Boden in das Grundwasser gelangen, der Schaden dauert also an und ist nicht abgeschlossen“, so Greinacher. Und es geht bei der Zivilklage natürlich darum, wer für die PFAS-Belastungen im Grundwasser geradestehen muss.
In einem Pressevorgespräch am 7. März ergänzte Greinacher dann im Hinblick auf den kommenden Prozess, dass man mittlerweile auch ermutigende Neuigkeiten seitens des Gerichts zu berichten habe. Denn das Gericht habe bereits im Vorfeld der Verhandlung in ausführlichen Hinweisbeschlüssen dargelegt, dass es der Rechtsauffassung der Stadtwerke Rastatt folgt. „Die Stadtwerke Rastatt haben bewiesen, was sie zu beweisen hatten“, fasst Dominik Greinacher zusammen und fügt an: „Deshalb hat das Gericht die Beweislast umgekehrt.“
Die Stadtwerke haben detailliert vorgetragen, dass der Komposthändler Papierschlämme, also Rückstände aus Produktionsabwässern der Papierindustrie angenommen, verarbeitet und weitergegeben hat, und hierfür auch umfangreich Beweis angetreten. Sie haben durch Dokumente wie Lieferscheine und Begleitpapiere dokumentiert, dass die angenommenen, verarbeiteten und ausgebrachten Papierschlämme mit PFAS/PFC verunreinigt waren; Schlämme dieser Art aus den anliefernden Papierfabriken im Murgtal und andernorts seien jedenfalls zu dieser Zeit stets oder überwiegend mit PFAS/PFC verunreinigt gewesen. Dem Antrag der Stadtwerke, hierüber das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, hat das Gericht inzwischen entsprochen; es steht jedoch noch aus.
Deswegen müssen die Stadtwerke, vereinfacht gesagt, nun zunächst nur beweisen, dass das Kompostwerk samt Ausbringungsstruktur geeignet war, die PFAS/PFC-Verunreinigungen zu verursachen. Diesen Beweis habe man erbracht und nun müsse der Komposthändler andere konkret geeignete Ursachen darstellen und beweisen, so Greinacher. Die Stadtwerke Rastatt haben als Wasserversorger bereits einen Schaden in Millionenhöhe erlitten. Dieses Geld wollen sie von dem Kompostunternehmer wiederhaben. „Es geht hier nicht um Schuld, sondern um die Frage, wer haftet“, stellte Greinacher klar.
Unerwarteter Prozessverlauf
Nach dieser langen Vorgeschichte und dem Pressevorgespräch am 7. März ließ der Prozess selbst dann so manchen allerdings etwas ratlos zurück.
Dass Kläger und Beklagte in so ziemlich jedem Punkt anderer Meinung waren, ist nachvollziehbar. Die Fragen der Richter des Landgerichts waren aber eher unerwartet; wie man die Flächen untersucht habe, wieso man so sicher über die Ackerschlags-genaue Ausbringung der Papierschlamm-Komposte sei oder was man über die PFAS/PFC-Belastung des Grundwassers vor der ersten Messung im Jahr 2012 sagen könne. Vom Komposthändler wollte man wissen, wieso er überhaupt die Papierschlämme angenommen habe und wieso er sicher sei, dass eben nicht die Papierschlämme ursächlich für die PFAS/PFC-Belastung des Grundwassers seien. Es ging um Konsistenz und Farbe der Papierfasern, um Klärschlämme und auch erneut um Flugbenzin.
Die beklagte Seite bestritt, dass die Fasern PFAS/PFC-haltig gewesen seien, sie bestritt, dass die Belastung an den Ackerrändern enden würde, ebenso bestritt man, dass das PFAS/PFC-Verteilungsmuster auf die Papierschlämme als Ursache hinweisen würde.
Letztendlich konkretisierte das Landgericht die Anforderungen an die Beweisführung im Rahmen seiner bisherigen, schriftlichen Ausführungen zur Beweislast; insbesondere erklärte der Vorsitzende, dass er die Ergebnisse der umfangreichen Sachverhaltsermittlungen durch die Umweltbehörden nicht ohne Weiteres anerkennt. Die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe der im Fall des Komposthändlers bereits ergangenen Urteile seien hier nicht eins zu eins zu übernehmen. Es erging der Beschluss, am 13. Juni 2022 weiter mündlich zu verhandeln. Auf die Frage des Vorsitzenden nach einer Vergleichsbereitschaft erklärten beide Parteien, dass das derzeit nicht in Frage komme.
Update Pressemitteilung Landgericht 1. Juni 2022:
Rechtsstreit der Stadtwerke Rastatt gegen die Umweltpartner XXX wegen Umweltschadensersatz
Die zuständige Zivilkammer 1 des Landgerichts Baden-Baden hat auf Antrag der Klagepartei eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Es geht dabei vor allem um die Behauptung der Klagepartei, die Beklagte habe durch Aufbringung von Abfällen aus der Papierindustrie auf bestimmten Flächen zwischen 2006 und 2008 die Verunreinigung des Brunnenwassers der Brunnen Niederbühl und Rauental durch PFC verursacht. Grundlage der Begutachtung sind im wesentlichen Wasserproben aus dem An- und Abstrom der o.g. Brunnen und Flächen.
Den für den 13.06.2022 vorgesehene Verhandlungstermin hat die Kammer aufgehoben.
© Patricia Klatt

