Die neue kombinierte Enthärtungs- und Aktivkohlefilteranlage im Wasserwerk Ottersdorf ist nun fertiggestellt. Ottersdorf, ein Stadtteil von Rastatt, befindet sich in der PFAS-Region in Mittelbaden, Baden-Württemberg. Die Stadtwerke Rastatt haben 8,5 Millionen Euro in die sichere Wasserversorgung des Wasserwerks Ottersdorf investiert, das Land Baden-Württemberg hat das Großprojekt mit 670.000 Euro unterstützt. Otterdorf ist das zweite Wasserwerk, das dort wegen PFAS-Belastung des Grundwassers erweitert werden musste. Ein weiteres steht in Rastatt-Rauental; auch dort filtern Aktivkohlefilter die Chemialien aus dem Grundwasser. Das dritte Wasserwerk in Niederbühl musste wegen der hohen PFAS-Belastung stillgelegt werden und dient aktuell als Versuchsanlage.

 

Erweitertes Wasserwerk Ottersdorf geht in Betrieb

Tanks im Gebäude

 Die Stadtwerke Rastatt haben am Freitagmorgen (12.7.2024)  das erweiterte Wasserwerk Ottersdorf in Betrieb genommen, das in den vergangenen 20 Monaten umgebaut und um eine Aktivkohle-Filteranlage erweitert wurde. Letztere wird ab sofort per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) aus dem Grundwasser filtern. 
Es hatte sich viel Prominenz zur offiziellen Eröffnung eingefunden, neben den drei Landtagsabgeordneten Alexander Becker, Thomas Hentschel und Jonas Weber auch die Rastatter Oberbürgermeisterin Monika Müller und, stellvertretend für die Umweltministerin Thekla Walker, ihr Staatssekretär Andre Baumann.

„Wenn man den Begriff PFAS in die Suchmaschinen eingibt, stößt man immer schnell auf Rastatt“,  so die Oberbürgermeisterin. Sie betonte als Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke, dass es gerade in Rastatt wichtig sei, dass angesichts der hohen Belastung durch PFAS besondere Maßnahmen ergriffen worden seien, um das Vertrauen in unser Wasser sicherzustellen. „Die Stadtwerke haben dazu gemeinsam mit der Stadt viel investiert. Für alle Haushalte in Rastatt ist mit dem neuen Wasserwerk nun sichergestellt, dass immer Trinkwasserqualität aus den heimischen Wasserhähnen kommt. Die Versorgung mit Trinkwasser ist eine ganz wesentliche Gemeinschaftsaufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge, bei der wir weiterhin auf nachhaltige Unterstützung durch das Land setzen“, so Müller. Man habe hier nun ein „enkelfähiges Wasserwerk“ geschaffen.

drei Personen

Andre Baumann zeigte sich von den Maßnahmen beeindruckt. „Man sieht schon an dem Gewirr aus Rohren und Tanks hinter mir, dass es hier mit dem Trinkwasser etwas komplizierter ist als anderswo.“ Der Staatssekretär betonte, „die sichere Versorgung unserer Bevölkerung mit ausreichend und qualitativ einwandfreiem Trinkwasser hat höchste Priorität!  Wir sehen hier und heute sehr eindrucksvoll, welche Anstrengungen die hiesigen Wasserversorger unternehmen – weit über ihre alltäglichen Aufgaben hinaus.“  Sein Dank ging an Olaf Kaspryk, der an den Lösungen für die PFAS-Problematik mitgeforscht und recherchiert habe, sowie auch an alle, die sich hier eingesetzt hätten. Das Land habe die Stadtwerke Rastatt mit mehr als einer Million Euro gefördert, so Baumann, für diese Umbaumaßnahmen hier seien es aktuell 670.000 Euro gewesen. 
Der Staatssekretär betonte, dass PFAS nicht nur ein regionales Problem seien, sondern dass man die Stoffe mittlerweile fast überall finde. Deswegen begrüße er auch die europaweit angestrebte Regulierung der gesamten Chemikaliengruppe. Das habe man als Land – auch getrieben von den Erfahrungen hier in Mittelbaden –  in Brüssel auch so dargestellt. 

Investition in langfristig einwandfreies Trinkwasser

Der Umbau und die Erweiterung des Wasserwerks Ottersdorf sind Teil eines umfangreichen Maßnahmenpakets. „Allein in das Wasserwerk Ottersdorf haben die Stadtwerke Rastatt rund 8,5 Millionen Euro investiert. Die Aufwendungen für alle Wasserwerke summieren sich auf mehr als 17 Mio. Euro“, so Kaspryk.

Vorausgegangen waren bereits andere Maßnahmen für eine Notfallversorgung und Entfernung von PFAS. So wurde zunächst eine Verbindungsleitung zum Trinkwassernetz in Gaggenau gebaut, danach das Wasserwerk Rauental mit einer Aktivkohlefilteranlage ausgestattet. Bislang einzigartig in Deutschland ist die kombinierte Aufbereitungstechnik aus Aktivkohlefilteranlage und Enthärtung im Wasserwerk Ottersdorf.

Ende 2012 wurde von den Stadtwerken damals die PFAS-Belastung im Wasser erkannt und die nötigen Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet, dabei mussten einige Widerstände überwunden werden. Zwölf Jahre später ist die Expertise der Stadtwerke in der PFAS-Entfernung und im Krisenmanagement bundesweit von Wasserversorgern gefragt.

Ab dem Jahr 2026 werden europaweit strenge Grenzwerte für PFAS im Trinkwasser gelten, was wohl manchen Wasserversorger vor Probleme stellen könnte. Das Rastatter  Trinkwasser wird mit den Grenzwerten keine Probleme haben, auch dank der vorausschauenden Maßnahmen wie der Installation der großen Aktivkohletanks zur Wasserreinigung in Ottersdorf und auch im Wasserwerk Rauental.

„Ich bedanke mich bei der Stadt Rastatt für ihr Vertrauen, bei Herrn Dr. Baumann für die finanzielle Unterstützung durch das Land, bei unseren Partnern aus Forschung und Entwicklung, den Fachfirmen und allen Projektbeteiligten für die wertvolle Begleitung und Umsetzung“, hob Olaf Kaspryk hervor. Aber all das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Mittelbaden Unbeteiligte, nämlich alle Bürgerinnen und Bürger, die Zeche für einen Umweltskandal bezahlen würden, der schlicht unsanierbar sei. Im Landkreis sind über 160.000 Menschen von den Folgen der PFAS-Belastung betroffen und alle Wasserversorger mussten Gegenmaßnahmen ergreifen, damit das Trinkwasser die kommenden PFAS-Grenzwerte einhält. Weil man als betroffene Wasserversorger im Land wenig Gehör gefunden habe, sei man bis Berlin und Brüssel gezogen, sagte Kaspryk.

Und „vielleicht hat unser gemeinsames politisches Engagement von betroffenen Wasserversorgern hier in der Region bis nach Berlin und Brüssel auch ein wenig dazu beigetragen, dass die neue Trinkwasserverordnung jetzt Grenzwerte für PFAS enthält und die EU erwägt, PFAS komplett zu verbieten“, so der Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt.

 

Der Vollständigkeit halber und für den Überblick noch die anderen Maßnahmen der Stadtwerke Rastatt:

Erweiterung des Wasserwerkes Rauental

Das Werk in Rauental ist inzwischen mit vier hochwirksamen Aktivkohle-Filteranlagen ausgerüstet, die derzeit die PFAS entfernen, die Grenzwerte für die per- und polyfluorierten Chemikalien werden eingehalten. Ein nachgeschalteter Ionenautauscher wird gemeinsam mit dem Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe erprobt.

Stadtwerke klagen auf Schadensersatz

„Es geht hier nicht um Schuld, sondern um die Frage, wer haftet“, betont Dr. Dominik Greinacher, der klageführende Anwalt der Stadtwerke Rastatt.  Am 14. März 2022 war der zweite Anlauf für den Zivilprozess  der Stadtwerke Rastatt  gegen das Kompostunternehmen der Region Mittelbaden vor dem Landgericht Baden-Baden. Der Prozess war bereits für den 26. März 2021 angesetzt gewesen, wurde aber Corona-bedingt  und wegen des hohen Publikumsinteresses verschoben. Die Stadtwerke verlangen Schadenersatz in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Hinzu kommen die Kosten, die künftig noch auf den Versorger zukommen könnten. Im Mai 2019 hatten die Stadtwerke Rastatt die Klage gegen den Komposthändler eingereicht, wie sie auf ihrer Homepage ausführlich darstellen. Sie sehen den Komposthändler auch für künftige Schäden durch den PFAS/PFC-Eintrag und deren Behebung in Haftung: Wer den Schaden verursacht hat, soll für dessen Behebung und Folgekosten aufkommen. In Deutschland gilt das Verursacherprinzip“, so die Stadtwerke.

Der Prozess läuft noch immer.

Stadtwerke Rastatt und Stadt Bühl verklagen das Land

Die Stadtwerke Rastatt und die Stadt Bühl klagen vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen das Land Baden-Württemberg. Hintergrund der Klage ist die großflächige Belastung des Grundwassers in Mittelbaden mit PFAS. Die Substanzen sind giftig und bauen sich nicht ab. Die Klägerinnen streben deshalb an, die Grundwasserbelastung der Region in die vom Land erstellte Fortschreibung des Bewirtschaftungsplans Oberrhein vom 20. Dezember 2021 und das daraus entwickelte Maßnahmenprogramm aufzunehmen. Auch dieser Prozess läuft noch.

 

© Patricia Klatt (text and photos), Wassertropfen: ©Martin Klatt


 

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