Die Stadtwerke Rastatt setzen sich seit 13 Jahren mit den Ewigkeitschemikalien PFAS auseinander – aus eigener Betroffenheit als Wasserversorger. Bereits zum vierten Mal luden die Stadtwerke zu einem PFAS-Forum in die Badener Halle in Rastatt ein. Am 25. Juni 2025 diskutierten dort, unter der Moderation von Julia Mailänder, Expertinnen und Experten aus den Perspektiven von Umweltbundesamt, der Industrie, der Versicherungswirtschaft und der Wasserwirtschaft die Frage, ob per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen weiter beschränkt werden sollten und welche Auswirkungen das hätte? Rastatts OB Monika Müller sprach ein Grußwort, Vertreter des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums waren trotz Einladung leider nicht erschienen.
Update 14.8.2025: Land unterstützt Stadtwerke Rastatt mit rund 1,44 Millionen Euro: Das Land fördert das Engagement der Stadtwerke Rastatt, eine sichere Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser zu gewährleisten (Pressemitteilung Umweltministerium).
PFAS im Trinkwasser - was nun?
Vor-Ort-Besuch im Wasserwerk Ottersdorf
Bestimmte PFAS-Werte dürfen im Trinkwasser nicht überschritten werden. Was sich einfach und klar anhört, ist in der Umsetzung langwierig und teuer. Davon konnten sich bereits am 24. Juni die Teilnehmer des PFAS-Forums bei einem Vor-Ort Besuch im Wasserwerk Ottersdorf überzeugen.

Große Aktivkohlefilter und neue Tiefbrunnen sorgen dort für sauberes Trinkwasser; auch im Wasserwerk Rauental mussten die Stadtwerke Rastatt Aktivkohlefilter einbauen, um PFAS aus dem Wasser zu filtern. Das Ganze war kein Schnäppchen, rund 28 Mio Euro (netto) haben die Stadtwerke sich die Sicherheit des Trinkwassers kosten lassen, rund 600.000 Euro Zuschuss kamen vom Regierungspräsidium. Der Wasserpreis wurde als Folge davon von 1,50 Euro auf aktuell 3,20 Euro erhöht. Die Verursacher beteiligen sich nicht, die Papierfabriken treten nicht in Erscheinung.
‚Ein Weiter so ist keine Option‘
Beim 4. PFAS-Forum in Rastatt wurde deutlich, wie konkret die Folgen der sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ vor Ort bereits spürbar sind. PFAS im Wasser bedeutet weit mehr als nur technische Reinigung: Es geht um komplexe Fragen zu Untersuchungsmethoden, Gegenmaßnahmen, Grenzwerten, Haftung und Versicherbarkeit.

„Bei uns ist das Thema durch, wir haben das Problem im Griff – aber bundesweit geht es nun erst richtig los“, sagte Olaf Kaspryk, Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt. Seiner Einschätzung nach könnten bis zu zehn Prozent der Wasserwerke in Deutschland mit einer PFAS-Belastung im Grundwasser konfrontiert sein. „Das Brett, das wir vor uns haben, wird immer dicker.“
Für mich war das diesjährige PFAS-Forum in mehrfacher Hinsicht besonders: Zum einen, weil sich erneut eine beeindruckende Zahl engagierter Fachleute versammelt hatte – zum anderen, weil ich selbst zwei Vorträge beisteuern durfte: zur mittelbadischen PFAS-Belastung sowie einen allgemeinen Überblick über die PFAS-Problematik.
Bundesweite Handlungsempfehlung für betroffene Wasserbetriebe
👉 Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser des Branchenverbands Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) forderte direkt zu Beginn eine PFAS-Strategie für Deutschland. Im Auftrag des BDEW hatte Kaspryk gemeinsam mit Kollegen die Erfahrungen der letzten 13 Jahre in einer bundesweiten Handlungsempfehlung zusammengefasst. Die 44-seitige Empfehlung soll als Orientierungshilfe für andere betroffene Wasserbetriebe dienen.

Die Motivation der Stadtwerke Rastatt für ihr Engagement in Sachen PFAS lag von Anfang an darin, Geschädigte und Experten mit dem Ziel zusammenzubringen, technische Lösungen für die PFAS-Entfernung zu entwickeln, Gesetzeslücken zu schließen und so einen besseren Schutz für Mensch und Umwelt zu erwirken. So haben die Stadtwerke Rastatt durch ihre Aktivitäten auch dazu beigetragen, dass sich die EU-Kommission mit PFAS befasst. „Dort gehört das Thema auch hin“, sagt Olaf Kaspryk und ergänzt: „Die Gefährdung für die Wasserversorgung ist grenzüberschreitend.“
„Schnelldurchlauf“ durch PFAS-Folgen
👉Im weiteren Verlauf haben meine Kollegin Nadja Tausche (SZ, Forever Pollution Project, Forever Lobbying Project) und ich zuächst einen Überblick über die bekannten PFAS-Kontaminationen in Mittelbaden und in Europa gegeben.

Die umfassende Recherche von NDR, WDR und SZ, an der Nadja Tausche beteiligt war, zeigt: In Deutschland sind über 1500 Orte mit PFAS belastet – weit mehr als bislang angenommen. Die finanziellen Folgen tragen vor allem die Kommunen – wie etwa Düsseldorf, wo ein einzelner PFAS-Schadensfall über 30 Millionen Euro kosten könnte. Bundesweit könnten die jährlichen Kosten zwischen 800 Millionen und 17 Milliarden Euro liegen. Gleichzeitig setzt die Chemie-Lobby alles daran, ein Verbot zu verhindern – mit Erfolg. Die Politik zeigt sich zunehmend kompromissbereit und übernimmt sogar fragwürdige Argumente der Industrie, obwohl viele davon nachweislich falsch oder irreführend sind. Die Details hat das Rechercheteam im Forever Lobbying Project zusammengefasst, für das sie am 1. August mit dem Helen Darbishire Award 2025 ausgezeichnet wurden.
👉 Professor Dr. Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) referierte über Perspektiven für den Umgang mit PFAS im Recht, insbesondere im Stoffrecht, im Wasserrecht und im Haftungsrecht. Seinen Ausführungen nach bleiben nachgeschaltete Reinigung und Sanierung auch zukünftig ein wichtiger Bereich der PFAS-Politik. Aber auch die Etablierung von kollektiven Haftungssystemen, die durch eine verursacherbezogene nichtsteuerliche Abgabe gespeist werden, sollte zu einem Baustein in der künftigen PFAS-Politik werden.
👉 Professor Dr. Martin Scheringer von der ETH Zürich gab einen Überblick über die Verwendungen von PFAS und die damit verbundenen Belastungen für Mensch und Umwelt sowie über die Suche nach Alternativen.

Er wurde als Experte zu diesem Thema auch bereits vom Bundesumweltausschuss gehört. Hier wie dort verwies er vor allem auf die gravierenden Probleme, welche durch PFAS ausgelöst worden sind – Gesundheit, Umwelt und Kosten. Das rechtfertige einen umfassenden Ansatz einer Beschränkung. Er unterstrich den Aspekt, dass PFAS aufgrund der ausnehmend langen Exposition eine ausgeprägte chronische Toxizität aufweisen würden, die zu chronischen Erkrankungen führten. Die regulatorische Risikobewertung würde diesen Effekt bisher nicht ausreichend berücksichtigen.
👉 Praktische technische Lösungen für die PFAS-Entfernung im Wasserwerk wurden den Teilnehmenden von Andreas Dahlem, Sachgebietsleiter des DVGW-Technologiezentrums Wasser (TZW) in Karlsruhe, erklärt. Das TZW arbeitet im Rahmen des europäischen Forschungsprjektes "ZeroPM" mir den Stadtwerke Rastatt zusammen und hat im Wasserwerk Rauental auch eine Ionenaustauscheranlage als Ergänzung zu den Aktivkohlefiltern installiert. Die Versuche laufen.

Imprägniert in alle Ewigkeit?
Mein Impulsvortrag über die Geschichte, Verwendung, Folgen, Beschränkung und Kommunikation der PFAS fasste die bekannten Fakten noch einmal zusammen. Trotz bekannter Risiken und einem Vorschlag zur umfassenden Beschränkung von über 10.000 PFAS-Chemikalien ab 2023 gibt es massiven Widerstand aus Industrie und Politik. Die Lobby argumentiert mit fehlenden Alternativen in Medizin und „grüner“ Technologie – obwohl es dafür bereits Substitutionsansätze gibt. Möglichen Lösungsansätze könnten ein PFAS-Fonds nach dem Verursacherprinzip sein. Notwendig sind außerdem eine globale Regulierung und mehr öffentliche Aufklärung – denn die meisten Menschen wissen kaum etwas über PFAS, obwohl alle betroffen sind.

Podiumsdiskussion: PFAS, die Beschränkung und Versicherungen
In der anschließenden Podiumsrunde diskutierten Frauke Stock vom Umweltbundesamt, Dr. Thomas Holtmann, BDI e. V., Abteilungsleiter Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit, Olaf Kaspryk, Geschäftsführer Stadtwerke Rastatt und Karl Ortmann, GDV Referent Haftpflicht- und Luftfahrtversicherung.
Dabei ging es zum einen um bekannte Problematiken wie das Für und Wider des vorliegenden Beschränkungsvorschlags:
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👉Einerseits dürfen PFAS auf keinen Fall in die Umwelt und in den menschlichen Körper gelangen, andererseits seien die Produkte extrem haltbar, langlebig und vielfältig einsetzbar, Alternativen seien vielfach nicht vorhanden. Eine zu starke Beschränkung benachteilige die Industrie in Deutschland und Europa, Er plädiere für ein „striktes Regime von der Produktion bis zur Entsorgung, so Thomas Holtmann.
Zum anderen wurde aber auch das Vorgehen der Versicherungen im Hinblick auf PFAS von Karl Ortman zusammengefasst:
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👉Der GDV (Gesamtverband der Versicherer) hat im April 2025 eine neue Musterklausel für Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflicht vorgestellt, mit der PFAS-Risiken zunächst grundsätzlich ausgeschlossen werden sollen. Erst im individuellen Dialog mit den Versicherungsnehmern soll geklärt werden, ob und wie bestimmte PFAS-Verbindungen versichert werden können. Dieses Vorgehen – „Ausschluss zuerst, Deckung später“ – stößt bei Industrie, Maklern und Versicherungsfachleuten auf scharfe Kritik, da es erhebliche Unsicherheiten und zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Zentrale Frage der „Haftung“
„Für Trinkwasser gilt der Vorsorgegrundsatz“ erläutert Olaf Kaspryk. Deswegen sollten PFAS erst gar nicht in die Umwelt gelangen. Für Altlasten dagegen gelte es zu klären, wer für die Umweltschäden aufkommen müsse: „Bis jetzt tragen Verbraucherinnen und Verbraucher die Kosten für den Aufwand, PFAS aus dem Rohwasser zu entfernen. Das finde ich nicht richtig“, sagt Olaf Kaspryk. Der Aufwand, künftig einwandfreies Trinkwasser liefern zu können, werde angesichts der vielen Schadensfälle perspektivisch in vielen Regionen aufwendiger und damit teurer. Wirksame Lösungsansätze seien die Verursacherhaftung und Themenfonds. In diese Richtung plädierte auch die Mehrheit der Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Olaf Kaspryk bedauerte, dass das Wirtschaftsministerium des Landes eine Teilnahme am PFAS-Forum abgesagt hat. „Ich finde es schade, dass die Landespolitik die einmalige Chance nicht genutzt hat, die komplexe Gemengelage einer diskutierten PFAS-Beschränkung aus ihrem Blickwinkel einem Expertenkreis darzustellen. Das hätte die Diskussion um eine potenzielle PFAS-Beschränkung bereichert und die Herausforderungen sowie die notwendigen Lösungsansätze noch differenzierter abgebildet.“ Denn klar sei, egal wie das Verfahren um einen differenzierten Beschränkungsvorschlag ausgehe: Ein Weiter so sei keine Option.
Abschluss mit dem Wasser-Sommelier – Ein Perspektivwechsel mit Geschmack
Unser tägliches Wasser – und was wir darüber (nicht) wissen. Das brachte Pat Eckert, zertifizierter Wassersommelier, dem Auditorium zum Abschluss auf unterhaltsame Weise nahe. Zunächst wurde das Rastatter Leitungswasser verkostet (frisch gezapft), um im Anschluss mit verschiedenen Wasserquellen verglichen zu werden: AQA FINELLI , einem Mineralwasser mit niedrigem bis mittlerem Mineralgehalt aus der Haderheck-Quelle im Taunus und Vichy Catalan aus der Caldes de Malavella Quelle in Katalonien. Es ist bekannt für seinen hohen Mineralgehalt und den leicht salzigen Geschmack. Pro Liter enthält es etwa 1.097 mg Natrium, 2.081 mg Bicarbonat sowie 584 mg Chlorid und 49,6 mg Sulfat.

Fazit 4. PFAS-Forum Rastatt
PFAS im Trinkwasser sind ein massives, grenzüberschreitendes Problem, das dringend wirksame gesetzliche Rahmenbedingungen, Verantwortungsübernahme durch Verursacher und eine informierte Öffentlichkeit erfordert. Deutlich wurde auch: Die politischen Prozesse rund um PFAS-Regulierung verlaufen zäh, oft beeinflusst durch Lobbyarbeit und wirtschaftliche Interessen. Das 4. PFAS-Forum der Stadtwerke Rastatt zeigte, wo wir stehen, was möglich ist – und auch, wie teuer Nichtstun wird.

Update 14.8.2025, Pressemitteilung Umweltministerium
Sauberes Trinkwasser: Land unterstützt Stadtwerke Rastatt mit rund 1,44 Millionen Euro. Das Land fördert das Engagement der Stadtwerke Rastatt, eine sichere Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser zu gewährleisten.
„Die Bürgerinnen und Bürger müssen zuverlässig vor den gesundheitlichen Risiken durch PFAS geschützt werden“, sagt Umweltministerin Thekla Walker. „Das Land steht dabei auch weiter an der Seite der Stadtwerke Rastatt und unterstützt deren Engagement für eine sichere Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit einwandfreiem Trinkwasser.“
Aufgrund des Ausmaßes des Schadensfalls in der Region Rastatt/Baden-Baden mit rund 1100 Hektar verunreinigten Flächen ist ein Nachlassen der Grundwasserbelastung kaum zu prognostizieren. Alle Wasserversorger in der Region sind gefordert, sich den Herausforderungen durch die Belastung ihres Rohwassers zu stellen, auch aufgrund der ab 2026 geltenden Vorgaben der Trinkwasserverordnung.
Die Stadtwerke Rastatt setzen seit 2022 ein insgesamt vier Bauabschnitte betreffendes Gesamtkonzept zur Erweiterung des Wasserwerks Ottersdorf um. Dieses umfangreiche Projekt umfasst u. a. den Neubau einer Werkshalle als Anbau an das bestehende Wasserwerk, die Erweiterung der Aufbereitungstechnik um eine Aktivkohlestufe, den Bau der nötigen Versorgungsleitungen sowie den Bau dreier neuer Brunnen. (PM, 14.8.2025)

Weiterführende Links:
- Klatt, P. (2024, 30. Juli). Fragen an Olaf Kaspryk, den Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt. PFAS‑Dilemma. https://pfas-dilemma.info/pfas-gespraeche/82-fragen-an-olaf-kaspryk-den-geschaeftsfuehrer-der-stadtwerke-rastatt pfas-dilemma.info
- BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. (2025, 29. Januar). BDEW‑Anwendungshilfe: PFAS im Wasser – was ist zu tun? https://www.bdew.de/service/anwendungshilfen/bdew-anwendungshilfe-pfas-im-wasser-was-ist-zu-tun/ BDEW
- Süddeutsche Zeitung. (o. D.). Nadja Tausche. Autorenseite. https://www.sueddeutsche.de/autoren/nadja-tausche-1.3778768 Süddeutsche.de
- The Forever Pollution Project. (2025, Januar 14). The Forever Lobbying Project. Forever Pollution. https://foreverpollution.eu/lobbying/ The Forever Pollution Project
- Access Info Europe. (2025, 1. August). Winner announced for the Helen Darbishire Award 2025. https://www.access‑info.org/2025-08-01/winner-announced-for-the-helen-darbishire-award-2025/ Access Info Europe
- Klatt, P. (2022, 21. Juni). PFAS und die WRRL. PFAS‑Dilemma. https://pfas-dilemma.info/aktuelles/44-pfas-und-die-wrrl pfas-dilemma.info
- Schwan, B. (2024, 30. Juli). Ewigkeitschemikalien: „Der Wechsel zu PFAS‑frei ist kein Luxusprojekt“. heise online. https://www.heise.de/hintergrund/Ewigkeitschemikalien-Der-Wechsel-zu-PFAS-frei-ist-kein-Luxusprojekt-9815823.html heise online
- TZW. (o. D.). Aufbereitungstechnologien, Trinkwasserversorgung. TZW – Technologiezentrum Wasser. https://tzw.de/loesungen/aufbereitungstechnologien TZW
- ZeroPM. (o. D.). ZeroPM. https://zeropm.eu/ ZeroPM
- Pat Eckert. (o. D.). Wassersommelier Pat Eckert | colors of water. https://coloresofwater.com/ coloresofwater.com
© Patricia Klatt