PFAS und die WRRL
Auch wenn man kein Jurist ist, war jedem der Anwesenden nach den Vorträgen von drei Experten für Umwelt- und Wasserrecht, die der Einladung der Rastatter Stadtwerke zu dem juristischen Symposium gefolgt waren, klar:
PFAS sollten in der Europäischen Wasserrahmenlinie berücksichtigt werden, es finden sich genügend Gesetze und Paragraphen dafür und die Auffassung des Baden-Württembergischen Umweltminsteriums und des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das sei aufgrund fehlender Schwellenwerte nicht möglich, ist weder alternativlos noch „in Stein gemeißelt“.
Und auch nur bedingt nachvollziehbar.
Am Dienstag hatten die Stadtwerke Rastatt wieder einmal zu einem PFAS-Symposium eingeladen, diesmal sehr beeindruckend in den Ahnensaal des Residenzschlosses in Rastatt. Und es war ihnen, ebenfalls zum wiederholten Male, auch gelungen, ausgewiesene Experten für Umwelt- und Wasserrecht als Referenten zu gewinnen: Aus dem „Thinktank“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) referierten Professor Dr. Wolfgang Köck, Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen, und Dr. Moritz Reese, sowie von der Universität Leipzig Professor Dr. Kurt Faßbender, Institut für Öffentliches Recht. Zu den Gästen der Fachtagung zählten Vertreter aus der Verwaltung, der Wasserversorgung und der Politik, darunter auch die Landtagsabgeordneten Jonas Weber und Alexander Becker aus Baden-Württemberg.
PFAS in die Wasserrahmen-Richtlinie?
Der kontrovers und vieldiskutierte Hintergrund sind die PFAS in unserem Grundwasser und die Konsequenzen, die sich daraus nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ergeben. Müssen die PFAS in den aktuellen Bewirtschaftungsplänen der WRRL berücksichtigt werden und welche Konsequenzen hätte das?
Das Regierungspräsidium in Karlsruhe (RP Ka) sagt nein, es sei in der WRRL so geregelt, dass man Schwellenwerte für die PFAS in Oberflächen- und Grundwasser brauche, die gebe es nicht, ergo keine Berücksichtigung in der WRRL, sondern die Abarbeitung der PFAS-Belastung nach dem Bundesbodenschutzgesetz. „Das Umweltministerium wartet auf den „länderübergreifenden Austausch und die Harmonisierung der Bewertung und des Umgangs mit PFC, um die Herausforderungen mit dieser Chemikaliengruppe in ihrem ubiquitären Ausmaß angemessen zu bewältigen.“(BNN, Klatt, 2022). Solange ist das Grundwasser in Mittelbaden nach der WRRL in einem guten chemischen Zustand, was es de facto aber eben nicht ist, denn die PFAS verschwinden ja nicht, nur weil das Land Ba-Wü keine Schwellenwerte festlegen will.
Zur Erinnerung – dieser Punkt wird in der Region Mittelbaden schon seit mehreren Jahren sehr kontrovers diskutiert. Das Bundesumweltministerium sagte mir auf eine Anfrage bereits im letzten Jahr, die Länder könnten auch eigene Schwellenwerte festlegen – dafür gibt es ja bereits die Geringfügigkeitsschwellenwerte, die übergangsweise gelten könnten.
In anderen Bundesländern wie NRW wird das auch gemacht: „Nordrhein-Westfalen (NRW) hat ebenfalls diverse PFC-Schadensfälle mit ausgedehnten Schadstofffahnen im Grundwasser zu bearbeiten. Dort zieht man bei der WRRL aber die GFS-Werte der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser als maßgeblich zur Beurteilung des Grundwassers heran. Und kommt zu dem Schluss, „dass hinsichtlich der PFC derzeit zwei Grundwasserkörper im schlechten chemischen Zustand sind“, so die Pressestelle des dortigen Umweltministeriums. Bei einem davon sei zusätzlich die Trinkwassergewinnung betroffen. Die zuständigen Behörden in NRW stehen deswegen mit dem Wasserversorger und dem Verursacher der PFC-Belastung in einem engen Austausch. Maßnahmen zur Eintragsstellen- und Fahnensanierung sowie Maßnahmen des Wasserversorgers zur Sicherstellung der Trinkwassergewinnung werden dort gemeinsam abgestimmt“ (BNN, Klatt, 2022).
Symposium zeigt einheitliche Auffassung der Experten
Professor Köck gab den Teilnehmern einen Überblick über das System der Bewirtschaftungsplanung, zu der ein Maßnahmenprogramm gehört. Er stellte eine Ausarbeitung von Kriterien vor, ab welchem Umfang eine schädliche Wasserveränderung als relevante Veränderung einer Flussgebietseinheit – wie in diesem Fall der Rhein – zu sehen ist. Denn eine solche ist in der Bewirtschaftungsplanung abzuhandeln. Ausdrücklich hält er fest, dass Maßnahmen nach Bodenschutzrecht hier nicht ausreichen. Köck betonte ebenfalls, dass die PFAS mittlerweile ein Thema von globaler Relevanz seien. Neben den Umweltfolgen der PFAS-Belastung würden auch zunehmend die ökonomischen Folgen immer stärker ins Bewusstsein treten. Der Nordic Council of Ministers beziffere in einem Bericht von 2019 die jährlichen Kosten des „Nicht-Handelns“ und der demzufolge weiteren PFAS-Verbreitung auf 52- 84 Milliarden Euro (The cost of inaction - A socioeconomic analysis of environmental and health impacts linked to exposure to PFAS, Nordic council of ministers, 2019)
Moritz Reese sieht die zuständige Behörde rechtlich in der Pflicht, Schadstoffe in das System der Bewirtschaftungsplanung aufzunehmen, die zu einer signifikanten Belastung mit schwerwiegenden Risiken für Gewässer, Gesundheit und Landnutzung werden können. Fehlen entsprechende Schwellenwerte, hat in Fällen wie der PFC-Belastung in Mittelbaden die zuständige Behörde solche Werte festzusetzen und der Bewirtschaftungsplanung zugrunde zu legen.
Professor Faßbender erörterte Gebote und Verbote, die greifen, wenn ein schlechter Gewässerzustand festgestellt ist. Hier greift seiner Meinung nach das Gebot der Trendumkehr und das Verschlechterungsverbot, insbesondere bei der Belastung des Grundwassers mit PFC. Es gelte grundsätzlich das Gebot der Schadstoffminimierung. In diesem Zusammenhang ging er auch konkret auf die Möglichkeit für Wasserversorger ein, diese Rechtslage auch gerichtlich durchzusetzen.
„Die Haltung des Regierungspräsidiums ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir sind es nachfolgenden Generationen schuldig, dass hier nachgesteuert wird, um koordiniert gegen die Verunreinigung anzugehen“. (Olaf Kaspryk, Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt)
Die Rechtswissenschaftler vertraten einhellig die Auffassung, dass die geforderten Maßnahmen hätten berücksichtigt werden müssen. Laut Moritz Reese sind Wasserversorger in solchen Fällen berechtigt, die entsprechenden Maßnahmen vor den nationalen Gerichten einzufordern. Die Stadtwerke prüfen derzeit eine solche Klage.
Das Symposium ist die vorerst letzte in einer Reihe von Veranstaltungen, zu denen die Stadtwerke Rastatt in ihrem Kampf um den besseren Schutz des Grundwassers und um Klärung von Haftungsfragen geladen haben. Als besonders schwer betroffener Wasserversorger haben sie deshalb frühzeitig auch eine rechtswissenschaftliche Diskussion angestoßen; seit mehr als 10 Jahren kämpfen sie gegen die PFC-Belastung – technisch, juristisch und politisch. Aktuell läuft zum Beispiel auch die Zivilklage des Wasserversorgers gegen den mutmaßlichen Verursacher des gigantischen Umweltschadens.
Stadtwerke bieten ausgestreckte Hand
Allein die Stadtwerke Rastatt mussten bisher schon für die Sicherung der Trinkwasserversorgung einen fast zweistelligen Millionenbetrag investieren; weitere Großinvestitionen stehen an. „Dazu zählen die Ausstattung eines weiteren Wasserwerks mit aufwendigen Aktivkohlefiltern und der Bau neuer Brunnen, um nur zwei anstehende Maßnahmen zu nennen“, führt Olaf Kaspryk aus und ergänzt: „Hinzu kommen laufende Betriebskosten über Generationen. Bisher tragen diese Kosten die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie wir als Unternehmen. Und weder die Bürgerschaft noch wir haben den Schaden verursacht.“ Die Stadtwerke müssen die gesundheitsschädlichen PFC dauerhaft aus dem Grundwasser herausfiltern, damit die Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser versorgt werden kann. „Was wir als Stadtwerke Rastatt hier betreiben, ist Grundwassersanierung. Diese entfaltet ohne eine übergreifende Koordination eine Wirkung, die weit hinter dem zurückbleibt, was mit Bewirtschaftungsplanung möglich wäre“, beschreibt Olaf Kaspryk die Aufgabe. Das gilt für alle Beteiligten. Er betont: „Wir setzen uns auf allen Ebenen für den Schutz der Trinkwasserversorgung ein. Deshalb hoffe ich weiterhin, dass wir mit dem Land doch noch gemeinsam eine gute Lösung auf den Weg bringen und ich hoffe auch nach wie vor auf ein bisschen Gerechtigkeit.“ (Pressemitteilung der Stadtwerke Rastatt zu dem Symposium)
Interessante Links zur Wasserrahmenrichtlinie und PFAS in Mittelbaden:
https://www.stadtwerke-rastatt.de/pfc
BNN, P. Klatt, 22.1.2019, Juristische Spitzfindigkeit oder neue Einstufung?
BNN, S.Huse, 29.1.2019, Umweltministerium widerspricht
Pressemitteilung RP Karlsruhe, 25.6.2021, Wasserrahmenrichtlinie und PFC
BNN, P.Klatt, 24.5.2022, Landwirte in Mittelbaden dürfen belastetes Wasser nicht nutzen
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