Olaf Kaspryk ist seit 2009 Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt und kämpft seit Ende 2012 gegen die PFAS-Verunreinigung im Trinkwasser. Ein Wasserwerk wurde infolgedessen stillgelegt und dient nun Forschungszwecken, während zwei weitere Wasserwerke in Rauental und Ottersdorf mit Aktivkohlefiltern nachgerüstet wurden, um die Schadstoffe aus dem Rohwasser zu filtern. Rund 58 Quadratkilometer des Grundwassers sind mit PFAS belastet, eine Sanierung ist nicht möglich.

Die Stadtwerke haben den mutmaßlichen Verursacher der PFAS-Belastung auf Schadensersatz verklagt und klagen zusammen mit der Stadt Bühl auch gegen das Land Baden-Württemberg, um zu erreichen, dass die Grundwasserbelastung der Region im Bewirtschaftungsplan Oberrhein und das daraus entwickelte Maßnahmenprogramm aufgenommen wird.

Mit Workshops, Führungen und einem umfangreichen PFAS-Teil auf ihrer Homepage setzen sich die Stadtwerke Rastatt aktiv für Aufklärung und Lösungen ein. Sie sind in diesem Bereich gut vernetzt und Teil des europäischen Forschungsprojektes ZeroPM.

Für ihren  Umgang mit den PFAS-Folgen wurden die Stadtwerke mit dem Nachhaltigkeitspreis 2024 des Wirtschaftsmediums ZfK ausgezeichnet.

Herr Kaspryk, die Stadtwerke Rastatt haben im Juni 2024 den Nachhaltigkeitspreis des Wirtschaftsmediums ZfK erhalten, der Ihnen von Franziska Giffey in Berlin überreicht wurde. Was bedeutet dieser Preis für Sie?

Sehr viel, da es eine bundesweite Anerkennung unserer mühevollen Arbeit und Ansporn für künftige Anstrengungen ist. 

Seit 12 Jahren müssen Sie sich nun mit der PFAS-Belastung beschäftigen, was sind da die wichtigsten Punkte/Erfahrungen für Sie? Ist der Ausbau des Wasserwerkes in Ottersdorf nun das Ende der PFAS-Anpassung?

Für mich persönlich, wie für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist die wichtigste Erfahrung die, dass eine solche Grundwasserverunreinigung eine komplexe und langwierige Aufgabe ist, mit extrem vielen Facetten. Sie fängt mit der Sicherung der Trinkwasserversorgung an. Es folgen Entscheidungen über fachliche und technische Lösungsansätze zur PFAS-Entfernung. Diese müssen geplant, umgesetzt und entsprechend finanziert werden. Parallel dazu finden juristische und politische Auseinandersetzungen statt. Und nicht zuletzt geht es auch um ein ins Wanken geratenes Gerechtigkeitsempfinden, das hier in Rastatt auf die Probe gestellt wird.
Die Inbetriebnahme der Aktivkohlefilteranlage im Wasserwerk Ottersdorf ist die erste Maßnahme von vielen weiteren in dieser Anlage. Dort steht uns noch ein weiterer Marathon bevor. 

Die Stadtwerke haben eine sehr gute Homepage, Pressearbeit, sie organisieren Workshops, ganz offensichtlich ist Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation für Sie wichtig, warum?

Die Öffentlichkeitsarbeit ist die Grundlage für alle Schritte und Maßnahmen, die wir in die Wege geleitet haben. Wir haben von Anfang an sehr transparent und kontinuierlich über die Situation und unsere Maßnahmen informiert – über die Presse, aber auch über unsere Website und in zahlreichen Dialogveranstaltungen. Das hat extrem dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit stets ein sicheres Gefühl hatte, unser Wasser aus dem Hahn bedenkenlos Trinken und für die Lebensmittelzubereitung nutzen zu können. Eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit war und ist für unsere Glaubwürdigkeit wichtig sowie für die Akzeptanz unserer Maßnahmen, ob Umbau von Wasserwerken, Bau von interkommunalen Verbindungsleitungen, Rechtsstreitigkeiten oder auch die Erhöhung der Trinkwasserpreise.  Unserer Kommunikation war stets nach außen und innen gerichtet. Unsere Mitarbeitenden müssen wissen, was wir tun und warum. Sie müssen sprechfähig sein. Zudem trug und trägt eine offene Kommunikation auch dazu bei, Wissen zu vermitteln und die Politik aufzurütteln.  

 

Sie haben das Land verklagt und fordern Schadensersatz vom Komposthändler, warum sind Sie diesen Weg gegangen und wie ist aktuell der Stand der Dinge? 

Wir müssen zum einen den Verursacher zur Rechenschaft wegen seines Vorgehens ziehen. Hier kam es zu einem massiven und nachhaltigen Schaden, der auch die kommenden Generationen betrifft. Da darf es nicht sein, dass der Verursacher ungeschoren davonkommt. Zum anderen sehen wir das Land Baden-Württemberg in der Verpflichtung, uns Wasserversorger, die Landwirte, Gemeinden und Bürger mit diesem Schaden nicht alleine zu lassen. Die komplette Sanierung des Schadens kostet mehrere Milliarden und beansprucht die Zeitdauer mehrerer Generationen. 

Was halten Sie von den neuen PFAS Grenzwerten im Trinkwasser und glauben Sie, dass die Wasserversorger in Deutschland gut darauf vorbereitet sind? Gibt es da schon Fragen an Sie?

Die Vorgabe von klaren Grenzwerten ist zunächst eine große Arbeitsentlastung, weil wir eindeutige und verlässliche Zielwerte erhalten. Ich halte die Einführung der neuen PFAS Grenzwerte aber auch für überfällig. Als wir vor über 10 Jahren darangingen, die Folgen der Grundwasserverunreinigung mit PFAS zu bekämpfen, gab es noch keine Grenzwerte. Das machte die Einschätzung der Gefahren für alle schwieriger. In der Vorbereitung des Inkrafttretens der neuen Trinkwasserverordnung müssen allerdings die zuständigen Bundesbehörden für uns Wasserversorger noch einiges in die Wege leiten. So fehlt zum Beispiel eine bundesweite Datenbank, wo PFAS-Funde bzw. Belastungen dokumentiert sind, damit sich die betroffenen Wasserversorger orientieren können. Auch andere Länder bauen so eine Datenbank auf. Des Weiteren wäre eine bundesweite Koordinierungsstelle mit entsprechend Personal nach meiner Auffassung ein weiterer Baustein dazu.

Sie sind Teil des ZeroPM-Projektes und haben sich auch an dem Workshop in Rastatt/Karlsruhe im Juni beteiligt, wie erleben Sie die Zusammenarbeit (mit dem Technologiezentrum Karlsruhe / mit dem LAndratsamt in Rastatt) und welche Vorteile sehen Sie in dem PFAS-Netzwerk?

Die  Zusammenarbeit mit dem Umweltamt des Landkreises Rastatt sowie dem TZW in Karlsruhe ist  vorbildlich in allen Bereichen. Wir haben Glück, solche Partner an unsere Seite zu wissen. Das Mitwirken in dem europäischen ZeroPM Projekt gibt uns den Einblick in die technischen Möglichkeiten, die es derzeit weltweit gibt und erlaubt uns, am Puls der Zeit zu sein. Unser Part ist es, den Wissenschaftlern die technische und betriebliche Machbarkeit ihrer Ideen bei der Trinkwasseraufbereitung zu zeigen. Insgesamt ist das eine sehr vielversprechende Kombination und darf gerne als Beispiel von effektivem Handeln dienen.

Reagieren Politiker Ihrer Ansicht nach adäquat auf die globale PFAS-Problematik ? 

Die Kommunalpolitik steht hier in Rastatt voll hinter uns. Dazu möchte ich auch unserem Gemeinderat danken. Die Landespolitik tut sich hingegen schwer. Entsprechende Finanzmittel zur gemeinsamen professionellen Lösung werden nicht eingestellt, Gespräche auf Ministerialebene gibt es leider wenige.

Demgegenüber werden wir auf Bundesebene sehr gelobt und können unseren Fall darstellen. Wir gelten inzwischen als Musterfall, wie man mit einer solchen Situation umgeht. 

 

Herr Kaspryk, haben Sie ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

Fotos: Klatt,  Folie: Vortrag Olaf Kaspryk, ZeroPM Symposium

 

Links:

  • Stadtwerke Rastatt, Trinkwasser-Schutz PFAS, Homepage
  • Klatt, P. (28.10.2021), Rastatter Stadtwerke-Geschäftsführer zum PFC-Problem: „Das Land darf uns nicht länger alleine lassen“, Badische Neueste Nachrichten
  • Klatt, P., PFAS-Broschüren auf dieser Seite, 2021 und 2023

 

 

PFAS Mittelbaden

PFAS Global

Ja, nein, vielleicht?

PFAS Aktuelles