Die Region zwischen Rastatt und Bühl steht vor einer enormen Herausforderung: Weite Teile des Gebiets sind durch eine Mischung verschiedener PFAS belastet, verursacht durch die Ausbringung von Papierschlamm-Kompost. Diese PFAS-Belastung hat weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in Mittelbaden, da diese Chemikalien potenziell gesundheitsschädliche Effekte haben können. Diese Situation erfordert ein effektives Management vor Ort. (PFAS Mittelbaden). Um das zu ermöglichen und die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, ist auch eine enge Zusammenarbeit der politischen Akteure unerlässlich. Der direkte Austausch und „kurze Wege“ zwischen den Verantwortlichen spielen dabei ebenso eine Rolle wie auch die Transparenz und Kommunikation.
Aus diesem Grund trafen sich der Landrat des Landkreises Rastatt, Prof. Dr. Christian Dusch, und der Staatssekretär im Umweltministerium, Dr. Andre Baumann, mit mir zu einem PFAS-Gespräch im Landratsamt. Ebenfalls dabei waren Reiner Söhlmann, der Leiter der PFAS-Geschäftsstelle sowie Michael Janke, der persönliche Referent des Landrats. Gemeinsam diskutierten sie, wie die Auswirkungen von PFAS auf die Region Mittelbaden besser adressiert und langfristige Lösungen gefunden werden können.
„Mahnmal für eine Chemikalie, die sich nicht abbaut“
Es war ein politisches Treffen am 8. August 2024 im Landratsamt in Rastatt: Mit Statements, Fragen und mit einem konstruktiven Dialog zwischen Landrat und Staatssekretär. Am Ende stand ein gewisses Maß an Pragmatismus, denn die PFAS sind auch in Mittelbaden „gekommen, um zu bleiben“. Bereits im März 2022 hatte Christian Dusch in einem Pressegespräch gesagt: „Das PFAS-Problem werde ich in meiner Amtszeit nicht lösen können, dafür sind die Substanzen zu persistent“.
Baumann: Stand heute haben wir hier das flächenmäßig größte PFAS-Problem in Deutschland. Aber die Zahl der belasteten Flächen scheint nun erfasst zu sein, dafür bin ich dankbar. Leider muss man aber auch sagen, dass eine großflächige Sanierung nicht möglich ist; wir haben hier in der Region ein Mahnmal für eine Ewigkeitschemikalie, die sich leider nur sehr langsam abbaut. In den vergangenen Jahren haben wir durch gute Zusammenarbeit einen Weg für den Umgang mit den PFAS gefunden; wichtig ist es daran zu arbeiten, dass diese Vorsorge auch bei den Menschen ankommt und die Menschen in der belasteten Region ganz normal leben können.
Die finanzielle Unterstützung der Wasserversorger durch das Umweltministerium beläuft sich auf rund acht Millionen Euro, für die Maßnahmen auf Kreis- und Landesebene kamen nochmals weitere 13 Millionen Euro vom Land dazu, auch hier stammte der größte Teil aus dem Umweltministerium.
Ich bin nun seit acht Jahren als Staatssekretär für PFAS zuständig und kann sagen, dass die Diskussionen zu diesem Thema immer wieder „hoch kochen“, wie aktuell mit dem PFAS-Beschränkungsvorschlag.
Neue Dynamik in der Zusammenarbeit gegen PFAS
Die Region hatte in den letzten zehn Jahren nicht immer ein entspanntes Verhältnis zum Ministerium. Das Verhältnis zwischen dem Umweltministerium und dem Landratsamt soll nun neu aufgestellt werden.
Dusch: Wir haben im Jahr 2022 erneut einige Wünsche gegenüber dem UM formuliert, die Antworten des Umweltministeriums waren für uns unbefriedigend. Wir haben da durchaus noch Diskussionsbedarf gesehen. Mögliche Irritationen sind nun aus dem Weg geräumt und wir sehen die Erfolge gerade auch für die Arbeit vor Ort.
So wurde jetzt die zweite Stelle in der PFAS-Geschäftsstelle, die bislang immer auf zwei Jahre befristet war, in eine unbefristete Landesstelle umgewandelt; das kam wesentlich durch die Unterstützung von Dr. Baumann zustande und es eröffnet für uns nun neue Perspektiven für die Stellenbesetzung. Und es ist auch ein Signal, denn da die PFAS-Arbeit auf der Sachebene stattfindet, zeigt uns diese Stellenumwandlung, dass das Thema auch von den höchsten Ebenen ernst genommen wird.
Baumann: Wichtig sind auch neben den Treffen auf Arbeitsebene auch die Entscheidungen der Hausspitzen, das Ministerium muss da nahe an den Behörden sein.
Dusch: Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der PFAS-Stabsstelle am Regierungspräsidium in Karlsruhe gemacht, auch wenn in der Stabsstelle die personelle Kontinuität fehlt. Aber auf den Arbeitsebenen funktioniert die Zusammenarbeit und es finden die nötigen Gespräche statt.
Klare Unterstützung der PFAS-Beschränkung
Die PFAS haben neben vielen Vorzügen auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Ökosysteme und die Gesundheit der Menschen. Deshalb sollen die 12.000 PFAS als Gruppe beschränkt werden. Dieser Vorschlag wird kontrovers diskutiert. Erst kürzlich hat sich Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut wieder gegen die Beschränkung ausgesprochen und zusammen mit ihrem bayerischen Kollegen Hubert Aiwanger deswegen einen Brief nach Brüssel geschrieben (Frankfurter Rundschau, 13.8.2024). Wie sehen Sie das?
Dusch: Die Region ist besonders betroffen durch die Belastung mit den PFAS. Deshalb haben wir als Landkreis bereits am 26. September 2023 den PFAS-Beschränkungsvorschlag eindeutig unterstützt, der bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA eingereicht worden ist. Das war eine einfache Entscheidung im Ausschuss für Umwelt, Bau und Planung, parteiübergreifend und einstimmig, dass es zu einem Verbot der Chemikaliengruppe kommen muss. Wir hätten uns da allerdings gewünscht, dass sich das Land ebenfalls auf allen Ebenen eindeutig dazu geäußert hätte.
Baumann: Es gibt eine abgestimmte Position unserer Landesregierung zur geplanten PFAS-Regulierung der Europäischen Union. Und diese gilt. Das wichtige ist, dass wir hinter verschlossenen Türen verhandelt und uns geeinigt haben. Das unterscheidet uns von der Bundesregierung. Entscheidend ist doch, was herauskommt (Konsultationsbeitrag der Landesregierung: 2023 herunterladen ).
Stoff-für-Stoff-Regulierung bei 12.000 PFAS nicht sinnvoll
Baumann: Ich habe an einem Fachgespräch der Landesregierung mit der zuständigen Generaldirektion der EU-Kommission teilgenommen. Dort wurde deutlich, dass die Bedenken der Industrie von der Kommission gesehen werden. Es wurde aber auch klar, dass man bei mehr als zehntausend einzelnen PFAS-Verbindungen nicht jedes einzelne Molekül anschauen kann, sondern nur die Stoffgruppe insgesamt mit bestimmten definierten Ausnahmen. Aus unserer Sicht bedarf es eines differenzierten Regulierungsrahmens, bei dem die jeweiligen Anwendungen den Nutzen für Mensch, Gesellschaft und Umwelt gegenüber den Risiken bewertet. So sollen für gesellschaftlich relevante Verwendungen entsprechende Alternativen vorliegen bzw. die Übergangsvorschriften sowie adäquate Ausnahmen, angemessen gestaltet werden. Viele Unternehmen sagen allerdings, dass es nicht so einfach oder schlicht nicht möglich ist, die PFAS zu ersetzen.
Dusch: Die FCKW hat man auch ersetzen können, es ist doch wohl eher eine Frage der Herangehensweise.
Schattenseiten der Fluorchemie
Bei dem Vorgehen gegen die Ewigkeitschemikalien sind sich der Landrat und der Staatssekretär also einig: Es muss in der Zukunft weitgehend auch ohne PFAS gehen. Ebenso einig sind sie sich, dass man die Energiewende brauche und dass das in Teilen bereits ohne PFAS möglich sei.
Baumann: Es gibt im ganzen Land viele Stellen, an denen man die Schattenseiten der Fluorchemie sieht. Und es gibt ja auch schon viele Firmen und Institutionen, die an Ersatzstoffen forschen. Ich habe das bei einem Besuch in der Papiermacherschule in Gernsbach gesehen oder auch bei dem Kompetenzzentrum für Tribologie in Mannheim. (Anmerkung: „Tribologie ist die Wissenschaft & Technik von aufeinander einwirkenden Oberflächen in Relativbewegung“ ).
Dusch: Diejenigen, die daran forschen und arbeiten, brauchen aber auch ein deutliches Signal der Politik, dass man diese Suche fördert.
Baumann: Der vom Umweltministerium geförderte Thinktank Ressourceneffizienz hat eine KI-basierte Studie für die PFAS-Substituierung in Auftrag gegeben, um zusammenzustellen, welche Möglichkeiten und Grenzen es überhaupt gibt. Außerdem unterstützt das Land auch die Hochschulen, die daran forschen.
„PFAS können substituiert werden“, so Andre Baumann.
Auf den PFAS-vorbelasteten Flächen der Region könne man sich vorstellen,
PV-Anlagen zu installieren – mit dem Hinweis auf solche ohne PFAS, ergänzte Dusch.
Gesundheitsbelastungen durch PFAS im Blut
Die Folgen der PFAS-Belastung für die Gesundheit der Betroffenen wurden am Anfang der Belastung seitens des Sozialministeriums stiefmütterlich behandelt. Erst durch den Druck der Bürgerinitiative „Sauberes Trinkwasser für Kuppenheim“ und den Wechsel an der Spitze des Sozialministeriums hat sich das geändert. Gesundheitsminister Manne Lucha ordnete Blutuntersuchungen in der Region an. Momentan läuft die Auswertung des dritten Durchgangs.
Baumann: Unter Minister Lucha wurde die Untersuchung des Blutes auf PFAS vorangebracht. Teile der Aufgabe liegen beim Landesgesundheitsamt, bei der Stabsstelle und auch beim Gesundheitsamt des Landratsamtes.
Söhlmann: Die Mediziner am Gesundheitsamt sind aber keine Toxikologen. Für die Beurteilung der Konsequenzen von PFAS im Blut braucht man Umweltmediziner und Toxikologen, die sich damit auskennen. Vor Corona hatten wir am Landratsamt eine entsprechende Informationsveranstaltung für die Hausärzte der Region mit dem renommierten Umweltmediziner Prof. Dr. med. Jürgen Hölzer von der Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin der Ruhr-Universität Bochum als Referenten geplant. Dann kam Corona und es ging nichts mehr und diese Planungen liegen seitdem „auf Eis“. Nun soll diese durch Corona verhinderte Informationsveranstaltung in diesem Jahr angeboten werden. Wie sich die PFAS-Belastung der Betroffenen entwickelt hat, wissen wir erst, wenn wir die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung kennen.
Menschen nehmen die PFAS hauptsächlich über damit belastete Lebensmittel sowie Trinkwasser auf. Ab dem Jahr 2026 müssen europaweit PFAS-Grenzwerte im Trinkwasser eingehalten werden, sind die Wasserversorger in BW darauf vorbereitet?
Baumann: Auch wenn in Mittelbaden die großflächigste PFAS-Belastung in Baden-Württemberg vorliegt, gibt es im ganzen Land viele Stellen, an denen wir die Schattenseiten der Fluorchemie sehen. Deswegen sind die Wasserwerke gut beraten, die PFAS-Werte zu überprüfen, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Es gibt einen Fördertopf für die Wasserwerke, man muss bei den Neuinvestitionen allerdings priorisieren. Aber ja, es ist so, dass niemand genau weiß, was da mit den PFAS-Grenzwerten im Trinkwasser auf uns zukommt.
PFAS in Mittelbaden: Erfolgreiche Bewältigung einer schwierigen Aufgabe
Seit Ende 2012 weiß man von der PFAS-Belastung in Mittelbaden, und je mehr man suchte, desto mehr fand man auch. Es wurde in der Region ein aufwendiges und umfangreiches Managementsystem entwickelt, um mit den Chemikalien leben zu können. „Eine Gesamtsanierung dieser Fläche und Entfernung der Schadstoffe ist fachlich wie wirtschaftlich keine Option“, betonte der Pressesprecher des Umweltministeriums bereits im letzten Jahr:
„Wären lediglich die ersten 30 Zentimeter des Bodens belastet, würde dies einem Volumen von deutlich über drei Millionen Kubikmetern entsprechen. Zum Vergleich: die Cheops-Pyramide hat ein Volumen von 2,6 Millionen Kubikmetern“.
Angesichts dieser Mammutaufgabe und dessen, was die Region gemeinsam erreicht hat, die Frage an den Staatssekretär, ob er nicht beeindruckt von Mittelbaden sei?
Baumann: Ja, ich bin froh und dankbar, wie die Region mit der PFAS-Belastung umgeht. Noch besser fände ich es allerdings, wenn nicht auf über 1000 Hektar PFAS-haltige Papierschlämme der Papierindustrie mit Kompost vermengt ausgebracht worden wären und man so ein Management nie gebraucht hätte.
Dr. Baumann, Prof. Dr. Dusch, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.
Links:
- ECHA publishes PFAS restriction proposal, 07.02.2023, ECHA Homepage
- Ewigkeitschemikalien: "Der Wechsel zu PFAS-frei ist kein Luxusprojekt" (Interview mit Prof. Dr. Martin Scheringer), Ben Schwan, 30.07.2024, heise-online
- PFAS in Mittelbaden, ein vergessener Skandal? Studierende der Lehrredaktion Print im Studiengang "Wissenschaft-Medien-Kommunikation" am KIT, Leitung Patricia Klatt, (24.08.2022)
© Text und Fotos: Patricia Klatt, Foto Blutabnahme: Ulrich Schumann