PFAS in den Böden, Symbolbild, Foto Klatt

Nur 12 Prozent! PFAS, die unendliche Geschichte

Wir befinden uns mittlerweile im Jahre zehn der PFAS-Belastung in Mittelbaden und von insgesamt 10.162 Hektar Ackerland in Mittelbaden sind 1.215 Hektar mit PFAS belastet, was etwa 12 Prozent entspricht. Die Konsequenzen daraus sind alles andere als trivial – eine Auswahl:

Der Skandal trat im Jahr 2013 in den Fokus von Behörden und Öffentlichkeit und im September 2014 hatte man die fluorierten Chemikalien auf 240 Hektar Ackerfläche gefunden. Die Böden wurden nach und nach untersucht - „das waren bis jetzt an die 4500 Bodenproben und 2950 Analysen vom Boden selbst“, erklärt Reiner Söhlmann von der PFC-Geschäftsstelle im Landratsamt Rastatt – heute kann man die Chemikalien auf 1215 Hektar nachweisen.

32 Landwirte hatten irgendwann in den 2000er Jahren mutmaßlich PFAS-belasteten Papierschlammkompost auf die Äcker ausgebracht, aktuell sind aber in Mittelbaden 120 Landwirte von PFAS-Belastungen in Boden, Bewässerungs- oder Tränke Brunnen betroffen.

Nur zwölf Prozent der Ackerfläche – mit ungeahnten Folgen, die bislang mehr als elf Millionen Euro gekostet haben, ohne dass das Problem beseitigt oder gelöst werden konnte.

Die Landwirte müssen heute nicht nur die Fruchtfolge und den Klimawandel berücksichtigen, sondern es gibt, abhängig vom PFAS-Gehalt im Boden, neue strenge Vorgaben. Welche Pflanzen dürfen wo angepflanzt werden? Mais geht in den meisten Fällen, Spargel eher nicht und Weizen und Soja sind nicht erlaubt. Dieses mühsam erarbeitete Konzept wird von den Behörden aufwendig kontrolliert und gemanaged. Und da PFAS-Belastungen kein regionales, sondern ein globales Problem sind, müssen unsere Vorgaben in der Region fortlaufend an neue europäische Vorgaben angepasst werden. So hat sich beispielsweise die Einschätzung der PFAS-Belastung in Lebensmitteln in den letzten Jahren enorm gewandelt, denn es zeigte sich in Untersuchungen aus aller Welt, dass diese Chemikalien eben doch nicht so harmlos sind wie anfangs mal gedacht. Grenzwerte in Lebensmitteln gibt es (noch) nicht, aber es gibt TWI-Werte (s. Faktenbox) für einige PFAS, die darin nicht überschritten werden sollten. Landwirtschaftsminister Hauk hat sehr schnell die PFAS-Beurteilungswerte in Lebensmitteln an diese neue Regelung angepasst.

Nur 12 Prozent PFAS-Äcker – aber sie führten zu einer Belastung von 58 Quadratkilometern des Grundwassers, das über ein großes Netz an Messstellen überwacht wird. Man hat bis jetzt 750 Grundwasserbrunnen untersucht und 7200 PFAS-Analysen im Wasser vorgenommen. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hat ein computerbasiertes Grundwassermodell für die weiteren Prognosen entwickelt.

 „PFAS-Wasser“ vielleicht größtes Problem mit weitreichendsten Folgen

Landwirte habe PFAS in Beregnungsbrunnen und unterliegen strengen Nutzungsregelungen. Private Gartenbrunnenbesitzer sind ebenfalls betroffen. „Im Bereich des „PFAS-Gebietes“ im Landkreis liegen 255 angezeigte Gartenbrunnen vor, es ist jedoch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Aus diesem Grund erfolgt die Empfehlung zum Verzicht auf die Bewässerung mit Grundwasser auch für die gesamte Gemeinde oder einzelne Ortsteile“, erklärt die Stabsstelle PFC auf Anfrage. Im Stadtkreis (SK) Baden-Baden gibt es 15 Gartenbrunnen. Brauchwasserbrunnen sind ebenfalls betroffen, „es handelt sich hierbei um Kühl-, Beregnungs-, Löschwasser- sowie sonstige Brauchwasserbrunnen im Rahmen einer gewerblichen Nutzung“, so die Stabsstelle, man kennt 20 im SK Baden-Baden und überwacht sieben im Landkreis Rastatt.

Nur 12 Prozent PFAS-Äcker haben Auswirkungen auf die Angelseen. Auch sie weisen PFAS auf und manche Fische sollten eher nicht verzehrt werden, obwohl der Landkreis Rastatt keine Nutzungsuntersagungen erlassen hat. Von 2015 bis heute wurden mit Unterstützung der verschiedenen Angelvereine Fische aus 7 Gewässern des Landkreises Rastatt entnommen und auf PFAS untersucht. „Es ist wichtig festzustellen, dass es sich aufgrund der geringen Probenzahlen nicht um repräsentative Untersuchungen, sondern um ein Screening handelte. Die Fische waren nicht für das gewerbliche Inverkehrbringen bestimmt, sondern für den Eigenverzehr der Angler. Daher wurden gegebenenfalls Verzehrs Empfehlungen gegenüber den Vereinen ausgesprochen“, so die Stabsstelle. Und da das Grundwasser unaufhaltsam in Richtung Rhein fließt, tangiert es natürlich auch die Kieswerke. Bei Erweiterungen oder Genehmigungsänderungen muss die PFAS-Verunreinigung mitberücksichtigt werden (Änderungen der Grundwasserfließrichtung, Schutz von tieferen Grundwasserleitern). Im Landkreis Rastatt sind derzeit zwei Baggerseen und im Stadtkreis Baden-Baden zwei Kieswerke unmittelbar betroffen.

Nur 12 Prozent PFAS-Äcker – aber offenbar nach wie vor davon nicht betroffen sind die 14 Papierfabriken, die die mutmaßlich belasteten Papierschlämme an den Komposthändler lieferten, während dieser sich weiterhin in anstehenden Gerichtsverfahren verantworten muss.

Faktenbox:

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat sogenannte Tolerable Weekly Intake (TWI)-Werte festgelegt, die die wöchentlichen Dosen angeben, die bei einer lebenslangen Aufnahme keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Menschen erwarten lassen.

2008 hatte man TDI-Werte (tolerable daily intake) festgelegt, umgerechnet auf die TWI-Werte waren für PFOA 10.050 Nanogramm /pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche erlaubt , für PFOS 1.050 Nanogramm /pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche.

2018 hat die EFSA die TWI-Werte aufgrund neuer Erkenntnisse drastisch abgesenkt: auf 6 Nanogramm PFOA / pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche und 13 Nanogramm PFOS/ pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche.

Mitte September 2020 wurden diese Werte von der EFSA auf vier PFAS erweitert und weiter verschärft: Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluorooctansulfonat (PFOS), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) werden nun als Gruppe reguliert und die wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche soll nicht überschritten werden.

 

 

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