Was PFAS mit dem Weltfrauentag zu tun haben
Der Weltfrauentag steht symbolisch für eine geschlechtergerechte Welt und die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft. Seit über 100 Jahren wird dieser Tag zum Anlass genommen, auf alle Formen der Unterdrückung aufmerksam zu machen und ihnen entgegenzuwirken. Was haben PFAS damit zu tun?
„Inspire Inclusion“ und die unsichtbare Gefahr von PFAS
"Seinen Ursprung hatte der Frauentag 1908 in den USA. Von dort verbreitete sich der Gedenktag auch nach Europa. 1975 wurde er von den Vereinten Nationen als Internationaler Frauentag institutionalisiert. Nach wie vor sind Frauen und Mädchen meist stärker von Armut, Hunger und unzureichender Gesundheitsversorgung betroffen. Frauen verdienen oft weniger und werden öfter um ihr Recht auf Bildung gebracht“, so die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
In diesem Jahr steht der Frauentag unter dem Motto “Inspire Inclusion”. Dieses Motto soll die Bedeutung der Einbeziehung von Frauen in allen Bereichen des Lebens betonen.
Und warum PFAS?
Es ist eine berechtigte Frage, was PFAS mit dem Weltfrauentag zu tun haben. Aber die Geschichte der PFAS ist auch eine Geschichte der betroffenen Frauen und hat sehr viel mit ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit zu tun:
In den 1940er Jahren begannen DuPont und 3M mit der Produktion von PFOA und von Teflon (ein Fluorpolymer, beide gehören zu der Gruppe der PFAS), und in den nächsten Jahren gab es viele Hinweise auf die gesundheitsschädlichen Konsequenzen dieses Stoffes PFOA, der sich im Blut der Arbeiter ansammelte. Tierversuche mit Affen und Ratten zeigten eine erhöhte Rate von Fehlbildungen bei deren Nachkommen.
Die Journalistin Sharon Lerner hat die Geschichte in ihrer Serie „The Teflon-Toxin“ aufgearbeitet:
„DuPont-Mitarbeiter wussten 1979 von einer neueren 3M-Studie, die zeigte, dass einige Rhesusaffen ebenfalls starben, wenn sie PFOA ausgesetzt waren. ... Zwei Jahre, nachdem DuPont von der Affenstudie erfahren hatte, teilte 3M 1981 die Ergebnisse einer weiteren Studie mit, die an trächtigen Ratten durchgeführt worden war, deren ungeborene Jungen nach der Exposition gegenüber PFOA mit größerer Wahrscheinlichkeit Augenfehler aufwiesen. Auch die EPA wurde über die Ergebnisse informiert.
Nach Bekanntwerden der Rattenstudie von 3M versetzte DuPont alle Frauen, weg von Arbeitsplätzen, bei denen eine Exposition gegenüber PFOA möglich war. Die Ärzte von DuPont begannen außerdem, eine kleine Gruppe von Frauen zu beobachten, die PFOA ausgesetzt und vor kurzem schwanger waren. Wenn auch nur eine von fünf Frauen Kinder mit Schädeldeformationen zur Welt brächte, warnte ein DuPont-Epidemiologe namens Fayerweather, sollten die Ergebnisse als signifikant genug angesehen werden, um zu vermuten, dass die PFOA-Exposition die Probleme verursacht.
Es stellte sich heraus, dass mindestens eines von acht Babys von Frauen, die in der Teflon-Abteilung gearbeitet hatten, Geburtsfehler hatte. Ein kleiner Junge namens Bucky Bailey, dessen Mutter Sue zu Beginn ihrer Schwangerschaft in der Teflon-Abteilung gearbeitet hatte, wurde mit Missbildungen des Tränenkanals, nur einem Nasenloch, einem Augenlid, das an der Nase begann, und einer als "Schlüssellochpupille" bekannten Erkrankung geboren, die wie ein Riss in der Iris aussah. Ein anderes Kind, das zwei Jahre alt war, als die Rattenstudie 1981 veröffentlicht wurde, hatte einen "unbestätigten Augen- und Tränenkanaldefekt", wie es in einem als vertraulich gekennzeichneten DuPont-Dokument heißt.
Wie Wamsley erinnert sich auch Sue Bailey an ihren häufigen Kontakt mit PFOA. 1980, als sie sich im ersten Trimester ihrer Schwangerschaft mit Bucky befand, wechselte sie in die Teflonabteilung, wo sie oft ein großes Rohr beobachtete, das sich regelmäßig mit Flüssigkeit füllte, die sie in einen Teich hinter dem Werk pumpen musste. Gelegentlich lief etwas von dem blubbernden Zeug aus einem nahe gelegenen Tank über, und ihr Vorgesetzter brachte ihr bei, wie man den Überschuss in einen Abfluss schöpft.
Kurz nach Buckys Geburt erhielt Bailey einen Anruf von einem Arzt von DuPont. "Ich dachte, es sei nur ein Mitleidsanruf: Können wir etwas tun oder brauchen Sie etwas? erinnert sich Bailey. "Shoot. Ich hätte es besser wissen müssen." Tatsächlich habe der Arzt nicht sein Mitgefühl ausgedrückt, sagte Bailey, sondern sie gefragt, ob ihr Kind irgendwelche Geburtsfehler habe, und ihr erklärt, dass es üblich sei, solche Probleme bei Neugeborenen von Mitarbeitern zu erfassen.
Während Bailey noch im Mutterschaftsurlaub war, erfuhr sie, dass das Unternehmen seine weiblichen Beschäftigten aus der Teflon-Abteilung entfernen wollte. Sie erinnert sich an diesen Moment - und daran, dass sie sich betrogen fühlte. "Das hat mir die Augen geöffnet", sagt Bailey, die noch immer in West Virginia lebt, DuPont aber einige Jahre nach Buckys Geburt verlassen hat" (übersetzt aus "The Teflon-Toxin").
40 Jahre lang wussten Dupont und 3M also, dass PFAS eine Gefahr auch für die menschliche Gesundheit darstellen. Die Ergebnisse ihrer eigenen Studien wurden aber nicht bekannt; weder den Aufsichtsbehörden, den Mitarbeitern und schon gar nicht der Öffentlichkeit. In der Studie "The Devil they Knew: Chemical Documents, Analysis of Industry, Influence on PFAS Science" haben Wissenschaftler die Hintergründe und Folgen dieser jahrelangen Vertuschung aufgearbeitet. Sie beruht auf den Dokumenten des Anwalts Rob Billot, der sich erfolgreich mit DuPont anlegte, nachdem entdeckt wurde, dass die Firma Trinkwasser und Menschen mit PFOA verseucht hatte.
Und die Frauen?
Für die Frauen hatte die PFAS-Belastung nicht nur damals schwerwiegende Konsequenzen, sondern auch noch heute.
Zum einen sind sie selbst betroffen: PFAS führen zu einem früheren Einsetzen der Pubertät, sie können das hormonelle Gleichgewicht stören und zu unregelmäßigen Menstruationszyklen führen. Es gibt Probleme mit der Fruchtbarkeit und ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsvergiftung und Fehlgeburten. Man diskutiert auch über ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Dazu kommen dann noch die weiteren gesundheitlichen Konsequenzen von PFAS, unter denen auch die Männer leiden wie ein erhöhter Cholesterinspiegel, eine verminderte Antikörper-Reaktion sowie ein erhöhtes Risiko von Nierenkrebs.
Zum anderen fließen die PFAS aber nicht nur im Blut der Frauen, sondern die Chemikalien sind plazentagängig und gelangen so in das ungeborene Kind. Eine Studie vom September 2020, in der man fast 50.000 Geburten in Minnesota erfasste, war die erste, die eine Ursache-Wirkung-Verbindung zwischen hohen Konzentrationen der PFAS im Trinkwasser und höheren Raten von Unfruchtbarkeit, Frühgeburt und niedrigem Geburtsgewicht der Babys nachweisen konnte.
Auch in der Muttermilch fand man PFAS, das heißt, durch das Stillen geben die Frauen die Chemikalien dann ein weiteres Mal an ihre Kinder weiter. Stillen, ja oder nein, diese Entscheidung wird keiner betroffenen Frau aus PFAS-Gebieten abgenommen. Der Spiegel beschreibt die Situation der Mütter in Norditalien, einer Region, die von einer gravierenden PFAS-Belastung betroffen ist: Der Kampf der Mütter aus der roten Zone.
Und wenn die Kinder größer werden, gehen die "PFAS-Entscheidungen" der Mütter weiter: welche Flaschenmilch, welches Essen, welche Spielsachen, Kinderwagen, Autositze, Schulranzen? Auch hier nimmt ihnen die Verantwortung niemand ab.
Andere relevante PFAS-Fragen für die Frauen sind auch: welche Tampons, Binden, sonstigen Hygieneartikel? Gleiches gilt für Pflegeprodukte und Kosmetikartikel. Überall wurden PFAS nachgewiesen und man muss Zeit investieren, um PFAS-freie Alternativen zu finden. Aber hier gibt es wenigstens eine Wahl.
Mangelnde Information führt zu Gefährdungen
Wir sind alle von der PFAS-Problematik betroffen, und das hängt nur bedingt mit Geschlecht, Bildung oder Chancen zusammen. Reinigungspersonal arbeitet mit PFAS, ebenso wie MitarbeiterInnen in der Textilindustrie, Druckereien, im Verkauf, in Laboren. Die Gesundheitsgefährdung ist dabei für alle gleich - aber die Folgen und die Konsequenzen daraus sind für Frauen andere.
"Inspire Inclusion", die Einbeziehung von Frauen in allen Bereichen des Lebens - das beinhaltet auch, auf die Gefahren durch Umweltgifte wie PFAS hinzuweisen, denen die Frauen im doppelten Sinne ausgesetzt sind.
"What advice do you give a breastfeeding mother with high #PFAS levels in her milk, when the water available for the formula is also PFAS polluted? No part of the planet is clean. The historical – and current - production of fluoropolymers is one of the main sources of PFAS contamination. The historical and current production of fluoropolymers is why we must tell mothers not to breastfeed their infants"
(Anna Lennqist, ChemSec).
© Patricia Klatt (Fotos und Text; Foto Affe, U.Schumann)