Lange Zeit war die überregionale PFAS-Berichterstattung ja eher zurückhaltend, hier und da fand sich zwar einmal ein Artikel, aber die Dimension der globalen Belastung war nicht so richtig zu erkennen. Seit ein paar Monaten haben die Medien das Thema nun für sich entdeckt und es nimmt an Fahrt auf – und schaffte es am 17.3. sogar in die heute-show:
Von "Piefassen" und "Pofassen" und wieso zwei Milliarden eigentlich ein Schnäppchen sind
Es ist so eine Sache mit der Wissenschafts-Kommunikation; was für die Forscher ein spannendes und für die Allgemeinheit relevantes Thema ist, erscheint so manchen Medienvertretern eher trocken (1). Man sucht nach der journalistischen Dramaturgie für eine spannende Geschichte in der XY, redet von Verständlichkeit oder Vereinfachung. So erging es auch den PFAS, die früher PFC hießen.
Fünf bekannte Hot Spots in Deutschland, das sei ja dann eher etwas für die Regionalen und nichts für die ganze Republik, entschieden die Verantwortlichen, nicht ahnend, dass auch sie schon längst betroffen waren, dass die PFAS auch in ihrem Blut schwammen und es sich womöglich auch in ihrem Trinkwasser unbemerkt gemütlich eingerichtet hatten. Eine Republik im Dämmerschlaf und ohne PFAS-Probleme, von einigen Ausnahmen in der FAZ (2) oder im hr (3) oder NDR4 (4) einmal abgesehen.
Nur die Betroffenen wie die Menschen in Mittelbaden redeten über PFAS - im Wasser, im Boden, im Blut - und über all das, was notwendig wurde und bezahlt werden musste, damit man einigermaßen glimpflich durch das "PFAS-Freilandexperiment" in Mittelbaden kommt. Trinkwasser wird gereinigt und kann getrunken werden (s.u.), die Landwirtschaft wird kontrolliert, es gibt jede Menge Vorschriften und angeln sollte man besser auch nicht mehr.
Man redet über PFAS
Für alle jene, die nicht in Mittelbaden wohnen, begann der Umschwung (möglicherweise) im September letzten Jahres mit einem Beitrag über das „Jahrhundertgift PFAS“ in Panorama. Er nahm im Februar Fahrt auf, als die Meldung von einem europaweiten Verbot der PFAS über die Ticker ging und die PFAS waren vollends in aller Munde, als die Journalisten des europäischen Forever Pollution Projekts (5) im März ihre Recherche-Ergebnisse zeitgleich in allen Ländern veröffentlichten: 1500 PFAS-belastete Stellen in Deutschland, 17.000 in Europa und 21.000 Verdachtsfälle insgesamt. Ob in Le Monde, The Guardian, Die Süddeutsche, NDR oder WDR, landauf landab wurde über PFAS geschrieben und gesprochen, ebenso wie über den Einfluss der Industrieverbände oder die Notwendigkeit eines generellen Verbotes der fluorierten Chemikalien.
PFAS in der heute-show, "6. Stunde Chemie bei Herrn Welke"
Und im März 2023 erreichten die PFAS dann mit der heute-show (6) die Comedy, etwas, was man selten genug in dieser Form bei uns erleben kann. Was in den amerikanischen Late Night Shows (7,8) aber schon lange üblich ist und was auch von NGO's wie ChemSec (9) oder Projekten wie ZeroPM (10) erfolgreich umgesetzt wird.
„Upps, die Pfannenshow“, „PFAS forte, die Pille für den Mann“ oder auch „Der Feind in meinem Beet“ und „Tötet Nemo“: Von Teflon über Unfruchtbarkeit oder Bodenvergiftung hin zu der Belastung für unsere Gewässer – die heute-show greift alles auf. „Sanierungsmaßnahmen in Rastatt: Ich fang jetzt mal klein an - 2 Milliarden?“ so der dortige PFAS-Beauftragte im Interview, ein Schnäppchen, findet Olli Welke. Ein europaweites Verbot für alle PFAS? Das treibt alle Chemie-Lobbyisten auf den Kriegspfad.
„PFAS, ein ernstes Problem, zum Schaden unserer Kinder und Enkel, wenn wir alle weiterleben in der Prinzessin Lillifee Straße im Gummibärenland“, klärt Valerie Niehaus die Kinder auf. „Die Piefasse, die würden eeewig bleiben“, so Niehaus „und wenn die Kinder nun einfach etwas ohne die Piefasse oder Pofasse kaufen wollten - geht leider nicht, liebe Kinder. Die sind überall drin, ihr solltet Angst haben, liebe Kinder, vor allem wegen PFAS“. Das Problem werde erst gelöst, wenn wir durch die Piefasse alle unfruchtbar sind und keine kleinen Lobbyisten mehr zeugen, ist Niehaus überzeugt.
Da soll noch einmal jemand sagen, wir hätten keinen Humor! Oder ist es doch Galgenhumor?
- Klatt, P. (3.April 2019), Wenn du doch geschwiegen hättest, Grüner Journalismus, Medien Portal für Journalismus und Nachhaltigkeit
- Klatt, P. & Frey, A. (04.09.2016), Woher kam das Zeug bloß? Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, (FAZ.net)
- Hoh, D. (01.04.2021), Schleichendes Gift – Wie gefährlich sind PFC?, aus der Reihe „defacto“ , hr-Fernsehen
- Naber, N. (15.10.2019), Krebsgefahr durch Löschschaum?, NDR-Fernsehen, Panorama 3
- Forever Pollution Project, Journalists tracking PFAS across Europe, (24.2.2023)
- Heute Show (17.3.2023), ZDF, abrufbar über youtube
- Noah, T. (06.03.2020 ), Forever Chemicals - If You Don't Know, Now You Know I The Daily Show
- Olivier, J. (04.10.2021), PFAS: Last Week Tonight with John Oliver
- ChemSec, (03.05.2022), The rap battle against PFAS: Hero film
- ZeroPM - H2020 , the official channel of the H2020 research project ZeroPM: Zero Pollution of Persistent, Mobile Substances, seit dem 23.03.2022