PFAS und die Erneuerbaren

Polytetrafluorethylen, PTFE, Teflon –  Fluorpolymere sind auch in Photovoltaik-Anlagen zu finden, die ein wesentlicher Bestandteil des Wandels hin zu den erneuerbaren Energien sind. Aber wie grün und nachhaltig können sie dann sein? Ist es eine Wahl zwischen „Pest und Cholera“?

 

Glas-Glas-Solarmodule von WINAICO PFAS-frei

Herstellererklärung zum Gehalt an per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen

(Pressemitteilung der Firma vom 9.5.2024)

Creglingen, 30.04.2024 – WINAICO hat eine Herstellererklärung abgegeben, in der das Unternehmen bestätigt seine Solarmodule der WST-NGX und WST-NGXB Serie frei von per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFAS, herzustellen.

PFAS werden auf Grund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften sowie ihrer UV-Beständigkeit und Langlebigkeit gezielt eingesetzt. Gerade bei Solarmodulen, die über 30 Jahre lang auf einem Dach liegen, sind diese Eigenschaften nützlich. Deshalb wird es oftmals als Bestandteil eines Solarmoduls, beispielsweise in der Rückseitenfolie, verwendet.

Problematisch ist jedoch, dass PFAS schädlich für Mensch und Umwelt ist: die Substanz ist nahezu unzerstörbar und nicht in der Natur abbaubar. Darüber hinaus ist es schwierig per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen zu recyceln oder wiederzuverwenden, so dass es in verschiedenen Produktzyklen verwendet werden kann.

 


Ende der PFAS und der Green Deal

(Update 19.7.2023)

Die PFAS haben unbestreitbare Vorteile, aber auch sehr viele, langanhaltende Nachteile. Als nachvollziehbare Konsequenz der gesammelten Auswirkungen soll europaweit ein Beschränkungsvorschlag für alle PFAS umgesetzt werden, der in jahrelanger Vorarbeit von Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden und den Niederlanden erarbeitet wurde (https://pfas-dilemma.info/aktuelles/19-aktuelles-4 ).

Im Juni 2023 hat die Wirtschaftsministerkonferenz beim geplanten PFAS-Verbot die Rückkehr zum risikobasierten Ansatz gefordert, ein pauschales Verbot aller PFAS-Verbindungen abgelehnt und auf "das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das bei früheren Stoffverboten immer gewahrt blieb", verwiesen. (Dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit hat uns allerdings erst in die Situation einer globalen PFAS-Verschmutzung gebracht, das nur so nebenbei bemerkt.) Unsere Wirtschaft würde ohne PFAS gar nicht und die grüne Energiewende noch viel weniger funktionieren, so die Industrie, die Verbände und die Lobbyisten (1).

Die schwedische NGO ChemSec hält diese Argumentation für Unsinn und unterstützt den Beschränkungsvorschlag. ChemSec sagt: "Betrachtet man beispielsweise den Fluorpolymermarkt in der EU, eine Unterkategorie von PFAS, in der die meisten kritischen Anwendungen zu finden sind, so entfallen nur etwa acht Prozent des Gesamtproduktionsvolumens auf die oft zitierten Beispiele erneuerbare Energien, Halbleiter und Arzneimittel. Darüber hinaus sieht der EU-Vorschlag zum Verbot von PFAS Ausnahmeregelungen für grüne Technologien vor". ChemSec sagt:

"Therefore, the argument that the PFAS ban will undermine the green transition – or some other essential project – can be discounted as gaslighting. Nobody is claiming this except the PFAS industry" (2).

(1) Hoferichter, A., Pilz, S., Drepper, D. (23.02.2023), Streit um Chemikalien Wie Bayer, BASF & Co für PFAS lobbyieren, Tagesschau, https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-eu-lobbyismus-101.html

(2) The claim that PFAS are critical to the green economy is complete hyperbole (22.05.2023) News ChemSec: https://chemsec.org/the-claim-that-pfas-are-critical-to-the-green-economy-is-complete-hyperbole 

 

PTFE-Einsatz in Photovoltaikmodulen,

Update 18.11.2022:

Wie sieht das Umweltministerium Baden-Württemberg diese Problematik und achtet man bei landeseigenen Gebäuden / Flächen auf teflonfreie PV-Anlagen? Ich habe nachgefragt:

"Nach Rücksprache mit der LUBW (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) kommt unserer Kenntnis nach PFAS bei PV-Modulen nicht zur Anwendung. So Kunststoff-Folien zum Schutz der PV-Module eingesetzt werden, die gegebenenfalls Fluor-Verbindungen enthalten können, tragen diese erheblich zur Langlebigkeit der Module bei. Größtenteils handelt es sich um sogenannte Coatings (Beschichtungen mit weniger µm-Schichtdicke). Eine Freisetzung in die Umwelt während der Verwendung ist äußerst gering. Im Prozess des Modul-Recyclings können daher geringe Mengen fluorhaltige Folien und Material mit Fluoranhaftungen anfallen, diese werden einer schadlosen Verwertung zugeführt," teilte mir die Pressestelle des UM auf meine Frage mit. Zum Einsatz auf landeseigenen Gebäuden habe man keine Informationen.

 

PTFE-Einsatz in Photovoltaikmodulen

PTFE wird in vielen Bereichen eingesetzt, unter anderem auch im Bereich der erneuerbaren Energien. Viele Solar-Photovoltaik (PV)-Module haben eine mit PTFE beschichtete Rückseite 

Nachteile

Treibhausgasemissionen: Bei der Herstellung und der Entsorgung von PTFE in Photovoltaikanlagen entstehen erhebliche Treibhausgasemissionen. Dies passt nicht zu dem Ziel einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, die den Ausstoß von Treibhausgasen minimiert.

Recycling eingeschränkt: Darüber hinaus ist es schwierig, PTFE ordnungsgemäß zu recyceln oder wiederzuverwenden, so dass es in verschiedenen Produktzyklen verwendet werden kann, ohne dass es verschwendet wird. Nachhaltige Anwendungen sollten aber  über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zirkulär und giftfrei sein. Dies gilt insbesondere für nicht kritische Teile wie die Rückseitenfolie einer Solaranlage, für die ein zirkuläres Design bereits eine Option ist.
Die weit verbreitete Verwendung von PTFE ist also eine echte Herausforderung und in einer giftfreien Wirtschaft schwer zu rechtfertigen. Der Übergang zu erneuerbaren Energien ist natürlich notwendig, aber dabei sollte die Perspektive des gesamten Systems berücksichtigt werden. 

Alternative: Die Rückseitenfolie kann auch aus Glas oder (Bio-)PET-Alternativen bestehen, die keine PTFE-Beschichtung benötigen. Die Verwendung von Glas ist zwar zunächst teurer, verbessert aber die Recyclingfähigkeit und Kreislaufpotenzial des Paneels damit erheblich und verringert auch die Umweltbelastung.

Um die Ideale des EU-Green-Deals für eine kreislauforientierte, kohlenstoffarme und schadstofffreie Wirtschaft zu verwirklichen, sollten Lösungen für erneuerbare Energien sicher und nachhaltig konzipiert sein (https://www.eionet.europa.eu/etcs/etc-wmge/products/etc-wmge-reports/fluorinated-polymers-in-a-low-carbon-circular-and-toxic-free-economy). Die Verwendung eines Materials wie PTFE in PV-Solarlösungen scheint nicht im Einklang mit diesen Ambitionen zu stehen.

Beispiele für eine (wirklich) nachhaltige Energieerzeugung stellen eine Verbindung zwischen dem Konzept der wesentlichen Verwendung und den Konzepten einer kohlenstoffarmen, kreislauforientierten und giftfreien Wirtschaft her. Die Vorteile und Belastungen durch die Verwendung von PTFE können nur durch eine integrierte Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen während des gesamten Lebenszyklus verglichen werden.

(übersetzt aus dem Technischen Report der EU, der im Dezember 2021 erschien und der auf 151 Seiten die Rolle der fluorierten Polymere in einer kohlenstoffarmen, zirkulären und schadstofffreien Wirtschaft untersuchte (https://www.eionet.europa.eu/etcs/etc-wmge/products/etc-wmge-reports/fluorinated-polymers-in-a-low-carbon-circular-and-toxic-free-economy ).  


Info: Fluorierte Polymere sind definiert als Polymere, die aus einer oder mehreren Arten von Monomerblöcken (auch Wiederholungseinheiten genannt), die Kohlenstoff-Fluor-Bindungen in ihren Hauptketten und/oder Seitenketten enthalten.
Sie werden aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften für eine Vielzahl von Zwecken im Transportwesen, der chemischen Industrie, der Stromerzeugung, der Elektronik, der Kabelisolierung, Beschichtungen, Kochgeschirr, Textilien und Kosmetika verwendet, da fluorierte Polymere widerstandsfähig gegen Abrieb, Hitze und chemische Angriffe sind. Polytetrafluorethylen (PTFE) macht dabei mehr als die Hälfte des Marktes aus. 
PTFE ist eine unregulierte Chemikalie aus der PFAS-Familie – die in einer Vielzahl von Verbraucherprodukten verwendet wird (https://chemsec.org/the-teflon-chemical-ptfe-is-often-touted-as-a-safe-cousin-of-toxic-pfas-but-is-it-really ).

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