Die Energiewende gilt als Hoffnungsträger für eine nachhaltige Zukunft – doch auch hier lauern unsichtbare Gefahren. Eine davon: PFAS, die sogenannten „Ewigkeitschemikalien“. Sie sind in vielen Komponenten erneuerbarer Technologien enthalten – und stellen Umwelt und Gesundheit vor große Herausforderungen. Wie grün und nachhaltig kann die Energiewende sein? Ist es eine Wahl zwischen „Pest und Cholera“?
PFAS in erneuerbaren Technologien – wo stecken sie?
PFAS kommen in verschiedenen Bereichen der Energiewende zum Einsatz wie zum Beispiel:
Wo stecken PFAS in Solarmodulen?
PFAS finden sich vor allem in:
- Rückseitenfolien: Schutzschicht gegen Feuchtigkeit und UV-Strahlung
- Kabelisolierungen: Hitzebeständige Ummantelungen
- Beschichtungen: z. B. PTFE (Teflon) zur Oberflächenversiegelung
Diese Materialien sorgen für eine lange Lebensdauer – aber auch für Umweltbelastung, da PFAS nicht biologisch abbaubar sind und sich in Böden und Gewässern anreichern (s. auch PTFE-Einsatz in Photovoltaikmodulen, Update 18.11.2022 weiter unten auf dieser Seite).
Gibt es Alternativen zu PFAS?
Ja – aber sie sind noch nicht flächendeckend verfügbar. Die Forschung arbeitet intensiv an Ersatzstoffen, insbesondere für Solarmodule und Wärmepumpen:
- Das Fraunhofer ISE entwickelt PFAS-freie Kühlmittel auf Basis von Propangas
- Die Hahn-Schickard-Gesellschaft forscht an fluorfreien Beschichtungen
Anbieter von PFAS-freien Solarmodulen:
Es gibt bereits einige Anbieter wie: WINAICO PFAS-frei, Meyer Burger schadstofffreie Module oder die Solar Fabrik (TÜV-geprüft). Die hier genannten Firmen habe ich bei meinen Recherchen gefunden, das erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich freue mich über Informationen zu weiteren Firmen.
Glas-Glas-Solarmodule von WINAICO PFAS-frei
Herstellererklärung zum Gehalt an per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen
(Pressemitteilung der Firma vom 9.5.2024)
Creglingen, 30.04.2024 – WINAICO hat eine Herstellererklärung abgegeben, in der das Unternehmen bestätigt seine Solarmodule der WST-NGX und WST-NGXB Serie frei von per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFAS, herzustellen.
PFAS werden auf Grund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften sowie ihrer UV-Beständigkeit und Langlebigkeit gezielt eingesetzt. Gerade bei Solarmodulen, die über 30 Jahre lang auf einem Dach liegen, sind diese Eigenschaften nützlich. Deshalb wird es oftmals als Bestandteil eines Solarmoduls, beispielsweise in der Rückseitenfolie, verwendet.
Problematisch ist jedoch, dass PFAS schädlich für Mensch und Umwelt ist: die Substanz ist nahezu unzerstörbar und nicht in der Natur abbaubar. Darüber hinaus ist es schwierig per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen zu recyceln oder wiederzuverwenden, so dass es in verschiedenen Produktzyklen verwendet werden kann.
Meyer Burger Technology AG
Ein Schweizer Photovoltaikunternehmen mit Hauptsitz in Gwatt/Thun (BE). Das Unternehmen entwickelt und produziert leistungsstarke Solarzellen und -module, basierend auf eigenen Spitzentechnologien wie Heterojunction-Zellen und SmartWire Connection Technology (SWCT). Mit etwa 70 Jahren Erfahrung und über 40 wesentlichen Standards in der Branche ist Meyer Burger heute ein zentraler Player in der Solarindustrie. Nach eigenen Angaben enthält das komplette Portfolio der Meyer Burger Hochleistungs-Module kein Blei und ist zertifiziert PFAS-frei (https://www.meyerburger.com/fileadmin/user_upload/PDFs/Deklarationen/DE/Meyer-Burger_PoP_Declaration_DE_EN.pdf).
Aktuell befindet sich das Unternehmen in einer wirtschaftlichen Umstrukturierungsphase.
Solar Fabrik
Die Solar Fabrik ist ein deutscher Solarmodulhersteller mit Sitz in Wiesen (Bayern), der sich auf die Produktion hochwertiger Photovoltaikmodule spezialisiert hat. Das Unternehmen legt großen Wert auf Nachhaltigkeit, Produktsicherheit und Qualität „Made in Germany“ – und bietet inzwischen auch vollständig PFAS-freie Glas-Glas-Module an.
" In Solarmodulen können auch PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) in bestimmten Komponenten wie Schutzschichten und Kabelisolierungen verwendet werden, um deren Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen zu verbessern. Bei Solarmodulen von Solar Fabrik werden diese nicht verwendet. Sie entsprechen somit höchsten Umweltstandards." (Zitat aus Fair News, 01/2024).
Fazit: Nachhaltigkeit braucht Ehrlichkeit
PFAS sind technisch nützlich – aber ökologisch riskant. Die Energiewende darf nicht auf Kosten von Umwelt und Gesundheit gehen. Es braucht:
- Transparenz über PFAS-Einsatz
- Förderung PFAS-freier Technologien
- Verbraucheraufklärung und politische Regulierung
Die gute Nachricht: Erste Hersteller zeigen, dass es auch ohne PFAS geht. Die Zukunft liegt in kreislauffähigen, schadstofffreien Lösungen
Das Ende der PFAS? Der Green Deal
(Update 19.7.2023)
Die PFAS haben unbestreitbare Vorteile, aber auch sehr viele, langanhaltende Nachteile. Als nachvollziehbare Konsequenz der gesammelten Auswirkungen soll europaweit ein Beschränkungsvorschlag für alle PFAS umgesetzt werden, der in jahrelanger Vorarbeit von Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden und den Niederlanden erarbeitet wurde (https://pfas-dilemma.info/aktuelles/19-aktuelles-4 ).
Im Juni 2023 hat die Wirtschaftsministerkonferenz beim geplanten PFAS-Verbot die Rückkehr zum risikobasierten Ansatz gefordert, ein pauschales Verbot aller PFAS-Verbindungen abgelehnt und auf "das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das bei früheren Stoffverboten immer gewahrt blieb", verwiesen. (Dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit hat uns allerdings erst in die Situation einer globalen PFAS-Verschmutzung gebracht, das nur so nebenbei bemerkt.) Unsere Wirtschaft würde ohne PFAS gar nicht und die grüne Energiewende noch viel weniger funktionieren, so die Industrie, die Verbände und die Lobbyisten (1).
Die schwedische NGO ChemSec hält diese Argumentation für Unsinn und unterstützt den Beschränkungsvorschlag. ChemSec sagt: "Betrachtet man beispielsweise den Fluorpolymermarkt in der EU, eine Unterkategorie von PFAS, in der die meisten kritischen Anwendungen zu finden sind, so entfallen nur etwa acht Prozent des Gesamtproduktionsvolumens auf die oft zitierten Beispiele erneuerbare Energien, Halbleiter und Arzneimittel. Darüber hinaus sieht der EU-Vorschlag zum Verbot von PFAS Ausnahmeregelungen für grüne Technologien vor". ChemSec sagt:
"Therefore, the argument that the PFAS ban will undermine the green transition – or some other essential project – can be discounted as gaslighting. Nobody is claiming this except the PFAS industry" (2).
(1) Hoferichter, A., Pilz, S., Drepper, D. (23.02.2023), Streit um Chemikalien Wie Bayer, BASF & Co für PFAS lobbyieren, Tagesschau, https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-eu-lobbyismus-101.html
(2) The claim that PFAS are critical to the green economy is complete hyperbole (22.05.2023) News ChemSec: https://chemsec.org/the-claim-that-pfas-are-critical-to-the-green-economy-is-complete-hyperbole
PTFE-Einsatz in Photovoltaikmodulen,
Update 18.11.2022:
Wie sieht das Umweltministerium Baden-Württemberg diese Problematik und achtet man bei landeseigenen Gebäuden / Flächen auf teflonfreie PV-Anlagen? Ich habe nachgefragt:
"Nach Rücksprache mit der LUBW (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) kommt unserer Kenntnis nach PFAS bei PV-Modulen nicht zur Anwendung. So Kunststoff-Folien zum Schutz der PV-Module eingesetzt werden, die gegebenenfalls Fluor-Verbindungen enthalten können, tragen diese erheblich zur Langlebigkeit der Module bei. Größtenteils handelt es sich um sogenannte Coatings (Beschichtungen mit weniger µm-Schichtdicke). Eine Freisetzung in die Umwelt während der Verwendung ist äußerst gering. Im Prozess des Modul-Recyclings können daher geringe Mengen fluorhaltige Folien und Material mit Fluoranhaftungen anfallen, diese werden einer schadlosen Verwertung zugeführt," teilte mir die Pressestelle des UM auf meine Frage mit. Zum Einsatz auf landeseigenen Gebäuden habe man keine Informationen.
PTFE-Einsatz in Photovoltaikmodulen
PTFE wird in vielen Bereichen eingesetzt, unter anderem auch im Bereich der erneuerbaren Energien. Viele Solar-Photovoltaik (PV)-Module haben eine mit PTFE beschichtete Rückseite
Nachteile
Treibhausgasemissionen: Bei der Herstellung und der Entsorgung von PTFE in Photovoltaikanlagen entstehen erhebliche Treibhausgasemissionen. Dies passt nicht zu dem Ziel einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, die den Ausstoß von Treibhausgasen minimiert.
Recycling eingeschränkt: Darüber hinaus ist es schwierig, PTFE ordnungsgemäß zu recyceln oder wiederzuverwenden, so dass es in verschiedenen Produktzyklen verwendet werden kann, ohne dass es verschwendet wird. Nachhaltige Anwendungen sollten aber über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zirkulär und giftfrei sein. Dies gilt insbesondere für nicht kritische Teile wie die Rückseitenfolie einer Solaranlage, für die ein zirkuläres Design bereits eine Option ist.
Die weit verbreitete Verwendung von PTFE ist also eine echte Herausforderung und in einer giftfreien Wirtschaft schwer zu rechtfertigen. Der Übergang zu erneuerbaren Energien ist natürlich notwendig, aber dabei sollte die Perspektive des gesamten Systems berücksichtigt werden.
Alternative: Die Rückseitenfolie kann auch aus Glas oder (Bio-)PET-Alternativen bestehen, die keine PTFE-Beschichtung benötigen. Die Verwendung von Glas ist zwar zunächst teurer, verbessert aber die Recyclingfähigkeit und Kreislaufpotenzial des Paneels damit erheblich und verringert auch die Umweltbelastung.
Um die Ideale des EU-Green-Deals für eine kreislauforientierte, kohlenstoffarme und schadstofffreie Wirtschaft zu verwirklichen, sollten Lösungen für erneuerbare Energien sicher und nachhaltig konzipiert sein (https://www.eionet.europa.eu/etcs/etc-wmge/products/etc-wmge-reports/fluorinated-polymers-in-a-low-carbon-circular-and-toxic-free-economy). Die Verwendung eines Materials wie PTFE in PV-Solarlösungen scheint nicht im Einklang mit diesen Ambitionen zu stehen.
Beispiele für eine (wirklich) nachhaltige Energieerzeugung stellen eine Verbindung zwischen dem Konzept der wesentlichen Verwendung und den Konzepten einer kohlenstoffarmen, kreislauforientierten und giftfreien Wirtschaft her. Die Vorteile und Belastungen durch die Verwendung von PTFE können nur durch eine integrierte Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen während des gesamten Lebenszyklus verglichen werden.
(übersetzt aus dem Technischen Report der EU, der im Dezember 2021 erschien und der auf 151 Seiten die Rolle der fluorierten Polymere in einer kohlenstoffarmen, zirkulären und schadstofffreien Wirtschaft untersuchte (https://www.eionet.europa.eu/etcs/etc-wmge/products/etc-wmge-reports/fluorinated-polymers-in-a-low-carbon-circular-and-toxic-free-economy ).
Info: Fluorierte Polymere sind definiert als Polymere, die aus einer oder mehreren Arten von Monomerblöcken (auch Wiederholungseinheiten genannt), die Kohlenstoff-Fluor-Bindungen in ihren Hauptketten und/oder Seitenketten enthalten.
Sie werden aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften für eine Vielzahl von Zwecken im Transportwesen, der chemischen Industrie, der Stromerzeugung, der Elektronik, der Kabelisolierung, Beschichtungen, Kochgeschirr, Textilien und Kosmetika verwendet, da fluorierte Polymere widerstandsfähig gegen Abrieb, Hitze und chemische Angriffe sind. Polytetrafluorethylen (PTFE) macht dabei mehr als die Hälfte des Marktes aus.
PTFE ist eine unregulierte Chemikalie aus der PFAS-Familie – die in einer Vielzahl von Verbraucherprodukten verwendet wird (https://chemsec.org/the-teflon-chemical-ptfe-is-often-touted-as-a-safe-cousin-of-toxic-pfas-but-is-it-really ).
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